Fliehganzleis
Mann mich befriedigte, war ich für Stunden mit mir und der Welt im Reinen. Ich lag auf dem Bett und genoss meine üppige Nacktheit. Neros Hand ruhte auf meinem Schenkel. Hatte alle Narben, Dellen und Verwachsungen, das ganze Flickwerk meiner rechten Körperseite, mit seinen kräftigen Fingern erkundet. Der härteste und intimste Moment, den ich mit einem neuen Mann haben konnte.
»Rauchst du noch die gesunden Zigaretten ohne Zusatzstoffe?«, fragte ich.
Er stand auf und kam mit der Schachtel zurück. Wir rauchten beide. Das Fenster stand weit offen. Draußen wurde es dunkel. Die Wärme des Tages blieb in der Luft hängen. Vielleicht war dies eine der letzten lauen Sommernächte. An manchen Bäumen verfärbte sich schon das Laub, in den Abendstunden machte sich der süße Geruch reifer Früchte breit.
Wir hatten uns Zeit gelassen.
Ich hatte mit Nero geschlafen und meine Fantasie rechts überholt. Manchmal hatte ich mir genau diese Szenerie ausgemalt: wir beide rauchend im Bett. Ich rauchte wenig, aber nach dem Sex beschleunigte eine Zigarette mein Hochgefühl. Während ich mich aufsetzte und nach dem Aschenbecher griff, spürte ich Neros Blick auf meinem Körper. Das mochte ich. Männer, die mich lange ansahen, vor allem danach, bekamen Pluspunkte. Ich musste lächeln. Du denkst wie jemand, der Rabattmarken sammelt, Kea, dachte ich.
»Worüber lachst du?«
»Über Rabattmarken.«
»Mir entgeht der Sinn des Ganzen.«
Ich kroch unter die Decke. »Nicht wichtig.«
Er schlüpfte zu mir. Unsere warmen Körper fanden automatisch zueinander. Der Zigarettengeruch mischte sich mit den Düften aus dem Garten. Allerdings blieb uns keine Zeit mehr, unsere Absichten in die Tat umzusetzen. Denn Neros Handy klingelte.
»Keller.« Er reagierte knapp, sagte ›ja‹, ›nein‹, ›ja‹, lächelte mir dabei zu und legte auf.
»So ist das also«, sagte ich, »in der Beziehung zu einem Bullen.«
Er strich mir durchs Haar.
»Das war Kollegin Gelbach.«
»Und?«
»Sie haben die Tatwaffe gefunden.«
»Im Dunkeln?«
»Vor einer knappen Stunde. Es ging ein Anruf ein. Ein Spaziergänger hat sich gewundert, warum ein gusseiserner Kerzenleuchter im Bach liegt. Martha Gelbach gehört zur schnellen Truppe. Die fackelt nicht lang. Du müsstest dir das Corpus Delicti mal ansehen, Kea.«
»Jetzt?«
»Ja. Jetzt.«
18
Der Kerzenleuchter war nicht weit von der Stelle gefunden worden, wo Larissa schwer verletzt gelegen hatte. Am Grund des Bachbettes, wo das Gewässer schon über Gemeindegebiet verlief. Das Flüsschen war ja nicht tief, und ein Spaziergänger hatte schon am späten Nachmittag den Leuchter im Wasser gesehen, sich aber erst Stunden später einen Reim darauf gemacht und die Polizei angerufen.
Ich konnte keine Angaben dazu machen, ob ich das hässliche Teil im Grünen Salon gesehen hatte oder nicht. So sehr Martha Gelbach mir auf den Zahn fühlte, der faustdicke, etwa 20 Zentimeter hohe Ständer mit kapitellartigen Verdickungen oben und unten blieb mir fremd. Beim Anblick der scharfen Kanten gruselte es mich. Wer diese Keule auf den Kopf seines Opfers niedersausen ließ, musste nicht besonders viel Kraft aufwenden, um die Schädeldecke bersten zu lassen.
»Das ist so klischeehaft«, sagte ich später, als Nero und ich mit einer Flasche Wein auf der Terrasse saßen und Kerzen mit Zitronenduft gegen die Mücken anzündeten. »Gräfin mit eigenem Kerzenleuchter attackiert.«
»Die Spuren, die zu der Fundstelle am Bach führen, sind ziemlich eindeutig. Dort klebt Blut an Grashalmen, und obwohl der Leuchter nach den 48 Stunden im Wasser so gut wie generalgereinigt ist, müssen wir davon ausgehen, die Tatwaffe in Händen zu halten«, erklärte Nero. »Der medizinische Befund wird nicht lange auf sich warten lassen. Es wird überprüft, ob die Verletzungen der Gräfin zu dem Leuchter passen.«
Er redete mal wieder in seinem Kommissarsstil.
Der Täter hatte, soweit war man sich einig, Larissa im Grünen Salon niedergeschlagen und sie anschließend aus dem Schloss geschleift, direkt zu der Stelle, wo ich sie gefunden hatte. Dann war er zurück in den Salon gelaufen, hatte den Kerzenleuchter geschnappt, um damit wieder durch den Schlosspark zu laufen, an anderer Stelle über den Bach zu springen, noch ein Stück über Gemeindegebiet durch den Wald zu eilen und dann den Kerzenleuchter im Wasser zu versenken. Ich starrte in die Kerzenflammen und lauschte dem Sirren der Mücken. In meinen Aufzeichnungen gab es keine Katja.
Weitere Kostenlose Bücher