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Fliehganzleis

Fliehganzleis

Titel: Fliehganzleis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
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Freundin.«
    »Haben Sie schon herausgefunden, wer Katja ist?«
    Ich schaltete das Licht in der Küche an, sah ins Arbeitszimmer, ins Schlafzimmer, ins Bad. Alles lag ruhig und friedlich da. Warum auch nicht. Hatte ich erwartet, dass die Stasi hier ein konspiratives Treffen veranstaltet hatte? Mein Problem war, dass ich zu tief in die Geschichten einstieg, die ich gerade schrieb. Die Wasser schlugen über mir zusammen und ich fand mich selbst in der Story wieder.
    »Nein. Sie?«
    »Nein. Ich wollte nur nachfragen«, entgegnete Martha Gelbach. »Wäre nett, wenn Sie Ihre Erkenntnisse mit mir teilten. Nur für den Fall.«
    »Larissa muss einen Geliebten gehabt haben«, sagte ich. »Einen Alexander, auch Alex genannt. Nachname Fink oder Finken.«
    »Woher haben Sie das?«
    »Ich habe meine Aufzeichnung noch einmal ausführlich gesichtet.« Ich sah in mein drittes Zimmer, das sogenannte Gästezimmer, das zum Gänsegehege ging und das Nero mit mir gemeinsam renoviert hatte. Plötzlich fühlte ich einen Stich im Herzen. Sehnsucht pur.
    »Das soll ich Ihnen glauben?«
    Martha Gelbach besaß Menschenkenntnis, das musste man ihr lassen.
    »Es ist, wie es ist.« Lügen zu können, stellte einen evolutionären Vorteil dar. Wenn Darwins Theorie stimmte, waren die meisten Menschen geschickte Lügner.
    »Dann noch einen schönen Abend«, verabschiedete sie sich.
    Wir legten auf.
    Ich wählte Neros Nummer, aber er ging nicht dran. Ich versuchte es privat. Nur der Anrufbeantworter hielt die Stellung.
    »Hier ist Kea. Ich bin zu Hause. Bis demnächst.« Mehr fiel mir nicht ein. Der Geisterschreiberin gingen die Worte aus. Müde besah ich mir die Vorräte im Kühlschrank. Abgelaufene Joghurts, ein Klumpen Käse, Oliven und ein Glas mit Bratheringen. Keine vertrauenerweckende Mischung.
    Ich hockte mich vor den Fernseher und glotzte ein nichtssagendes Programm, während ich die Bratheringe aufaß. Als mein Handy klingelte, stieß ich das Glas um. Die Essigsoße sickerte in den Teppich.
    »Hallo?«, rief ich.
    »Hier spricht Kendra White.«
    Ich verbarg meine Enttäuschung nur schlecht.
    »Guten Abend.«
    »Hoffentlich störe ich nicht.«
    »Absolut nicht.« Ich stellte den Fernseher aus. »Gibt es etwas Neues?«
    »Eine Frau, eine gewisse Dagmar Seipert, ist 1969 aus der DDR geflohen. Ich hatte das eingefädelt. Ein amerikanischer Soldat nahm sie mit. Das war die sicherste Sache überhaupt: Der Fahrer brauchte nur einen vom Stadtkommandanten ausgestellten Fahrbefehl. Dann gab es keine Kontrollen.«
    Schon hatte ich einen Zettel und einen Stift gezückt.
    »Warum sagen Sie mir das?«
    »Weil Dagmar Seipert die Gräfin gekannt haben muss. Sie sprach von einer Adeligen, die ihre wahre Herkunft verschleierte und in Leipzig an einer Klinik arbeitete.«
    Mir wurde ganz heiß. Nur seltsam, dass genau dieser Sachverhalt Kendra gerade erst eingefallen war.
    »Frau Seipert lebt in München. Ich gebe Ihnen die Adresse.«
    »Heißt das, Sie beide stehen noch in Kontakt?«, wollte ich wissen.
    »Nein, das nicht. Aber wir haben uns vor Jahren einmal zufällig in München getroffen. Ich hatte sie nach ihrer Ankunft im Westen kurzfristig betreut.«
    Ich schrieb die Anschrift auf und bedankte mich artig. Während ich den Bratheringsud aufwischte, dachte ich über Kendra Whites stockend arbeitendes Gedächtnis nach.

32
    Todmüde ließ Nero seinen Volvo auf dem Parkplatz in der Mailinger Straße stehen und ging zu Fuß nach Hause. Die Bewegung brachte ihn auf andere Gedanken, und die kühle und für Münchner Verhältnisse frische Nachtluft tat ihm gut.
    Die Sache mit den Argonautenmails hatte er fast vergessen, nachdem er die liegen gebliebenen Aufgaben der letzten Woche abgearbeitet hatte. Außerdem war es ihm gelungen, seinem Vorgesetzten aus dem Weg zu gehen. Besprechungen mit Woncka stressten Nero. Nie kam etwas dabei heraus. Allein für das Wort ›Besprechung‹, das der Polizeioberrat so gerne und häufig in den Mund nahm, hatte Nero nach einem Dreivierteljahr nur Verachtung übrig. Nun, da er durch die Straßen ging, an Kneipen vorbei, vor denen die Raucher standen und diskutierten, war er hungrig und durstig und erinnerte sich an Freiflugs nachdenkliches Gesicht, als sie sich vorhin verabschiedet hatten.
    Woncka wollte informiert werden, wenn neue Mails eingingen.

33
    Das Telefon klingelte wieder, kaum dass ich aufgelegt hatte.
    »Laverde?«
    »Torn.«
    Mein Herz machte ein paar Walzerschritte. Linksherum.
    »Ja – bitte?«
    »Sie wollten

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