Flinx
seinem Zimmer entfernte. Ihre Augen blickten wachsam und voll Angst starr auf das fremde Ding, das sich neben seinem Kopf eingeringelt hatte. Wer wusste schon, was es tun würde, wenn man es erschreckte?
Wie der Eindringling sich Zugang zu ihrem wohlgeschützten Zuhause hatte verschaffen können, war ihr ein Rätsel. Doch jetzt war nicht die Zeit, sich darüber Sorgen zu machen. Ihre Gedanken wanderten weiter, zu der kleinen Pistole, dem winzigen Nadler, den sie gewöhnlich unter ihrem Kissen verwahrte. Nein, zu riskant - die Schlange lag zu dicht beim Kopf des Jungen, und sie war nicht mehr so treffsicher, wie sie das vor zwanzig Jahren gewesen war.
Außerdem bestand immerhin die Möglichkeit, dass der Eindringling gar nicht gefährlich war. Sie jedenfalls erkannte ihn nicht. In den reichlich neunzig Jahren, die sie auf Moth verbracht hatte, hatte sie noch nie dergleichen gesehen. Zum einen war nirgendwo an seinem Körper auch nur eine Spur von Pelz zu sehen. Nur Schuppen. Das identifizierte das fremdartige Geschöpf sofort als einen Außenseiter. Nun, ganz eindeutig freilich nicht. Moth beherbergte einige wenige Lebewesen - hauptsächlich solche, die in den Tiefen zu graben pflegten - die keinen Pelz trugen. Aber diese Schlange sah ihr gar nicht wie ein Gräber aus. Aber sie war keine Zoologin und war auch nie weit über die Stadtgrenzen hinausgekommen.
Ja, sie war sich ziemlich sicher, dass dieses Etwas von Außerplanet kam. Sie konnte den Finger nicht darauf legen, aber war trotzdem irgendwie sicher, dass dieses Tier ein Alien war; aber das war nicht wichtig. Wichtig war, dass es irgendwie zum Zimmer des Jungen vorgedrungen war. Sie musste also etwas unternehmen, ehe dieses fremde Etwas aufwachte und ihr die Entscheidung abnahm.
Du musst es von ihm wegschaffen, sagte sie sich. Zumindest von seinem Kopf. Schaff es weg, halte es beschäftigt, dann wecke den Jungen und schick ihn nach der Pistole unter dem Kissen.
Der Besen, den sie in der Hand trug, hatte einen Stiel aus Leichtmetall und Drahtborsten. Sie hatte ihn aus dem Schrank, geholt und betrat jetzt Flinx Zimmer wieder und schob das vordere Ende des Besens an seinem Kopf vorbei. Die Metallborsten berührten den Eindringling.
Die Schlange regte sich, als sie die Berührung spürte, schlug die Augen auf. Sie stieß noch einmal zu, diesmal kräftiger, versuchte, die Borsten zwischen den Kopf der Schlange und den frei daliegenden Hals des Jungen zu schieben. Die Schlange öffnete ihr Maul, und Mutter Mastiff zuckte instinktiv zurück, aber die Schlange gähnte nur. Also immer noch schläfrig, dachte sie. Gut, das bedeutete langsamere Reaktionen. Sie beugte sich wieder vor und stieß mit dem Besen erneut zu. Ein Teil der Schlange rutschte vom Bett, und jetzt konnte sie zum erstenmal ihre grelle Färbung erkennen.
Wieder stieß sie mit dem Besen zu. Die Schlange war jetzt nicht mehr auf dem Bett. Sie schwebte in der Luft, und ihre Schwingen bewegten sich so schnell, dass sie nur als blaurosafarbenes Flimmern zu erkennen waren. Sie erzeugten in dem kleinen Raum ein kräftiges, vibrierendes Summen. Verblüfft und unsicher, wie sie diese neue Gefahr angreifen sollte, zog Mutter Mastiff sich zurück, wobei sie den Besen in Verteidigungsbereitschaft vor sich hielt. Der Junge war von dem letzten Stoß mit dem Besen erwacht und blinzelte ihr jetzt schläfrig zu. »Mutter? Was ist denn?«
»Pscht, sei still!« warnte sie ihn. »Ich weiß nicht, wie dieses Ding in dein Zimmer gekommen ist, aber ...« Flinx setzte sich schnell auf. Sein Blick fiel auf die schwebende Schlange, bewunderte sie zum erstenmal bei Tageslicht und lächelte Mutter Mastiff beruhigend zu.
»Oh, das. Das ist Pip.«
Der Besen senkte sich leicht, und sie starrte ihren Schützling mit zusammengekniffenen Augen an. »Du meinst, du weißt, was das ist?«
»Sicher«, sagte er vergnügt. »Ich ... äh ... hab gestern nacht was gehört, also bin ich hinausgegangen, um nachzusehen.« Er deutete mit dem Daumen auf die Schlange. »Er lag draußen im Müll, kalt und hungrig. He, ich wette, er hat immer noch Hunger ...«
»Ja, das wette ich auch«, herrschte sie ihn an, »und ich will keinen schuppigen, gefräßigen Aasfresser in meinem Haus haben. Raus mit dir!« schrie sie die Schlange an. »Sch!« Sie schwang den Besen nach der Schlange, einmal, zweimal, ein drittes Mal, und zwang Flinx, sich vor den fliegenden Borsten wegzuducken. Jedesmal wich die Schlange geschickt aus und legte damit unerwartete
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