Flinx
und etwas Lebendes huschte schnell aus seinem Weg, schob leere Behälter und Dosen beiseite, so dass man das Klappern von Plastik und das Klirren von Metall hören konnte. Er bemühte sich, in dem schwachen Licht etwas zu erkennen, wünschte sich jetzt, er hätte eine Taschenlampe aus dem Laden mitgenommen. Er trat vorsichtig einen Schritt auf den Unrathaufen zu, jeden Augenblick bereit zurückzuspringen, falls die Fleurms oder sonst etwas sich als aggressiv erweisen sollten.
Aber es war kein Fleurm. Zum einen war es zu lang: fast einen Meter. Und dicker war es auch, wenn auch nicht viel. Er dachte an die schlangenähnlichen Geschöpfe, die in den Wäldern südlich von Drallar hausten. Einige davon waren giftig. Gelegentlich gelangten sie und andere Raubtiere aus dem Wald im Schütze des Regens und der Finsternis in die Stadt, um dort nach den kleinen Geschöpfen zu jagen, die die städtischen Unrathäufen unsicher machten. Gelegentlich kam es auch vor, dass ein Bürger auf einen solchen Eindringling stieß.
Flinx beugte sich vor, und in dem Augenblick ließ der Hunger nach. Gleichzeitig verstärkte sich das Gefühl der Einsamkeit; wurde so stark, dass er beinahe zurückgeschleudert wurde. Er war jetzt ganz sicher, dass das Gefühl von dem schlangenähnlichen Geschöpf herrührte.
Seine natürliche Neugierde - vor der Mutter Mastiff ihn so eindringlich gewarnt hatte - überkam schnell seine ebenso natürliche Vorsicht. In dem Augenblick empfand er nur Verwunderung darüber, dass von einem so primitiven Geschöpf so kräftige geistige Projektionen ausgingen. Außerdem war an dem Tier keinerlei Zorn, keinerlei Gefahrensignale. Nur jene hartnäckige Einsamkeit und das flüchtige Gefühl von Hunger.
Wieder bewegte sich das Geschöpf. Selbst im schwachen Licht der Gasse konnte er die hell blitzenden roten Augen erkennen. Das war ganz sicher kein echtes Reptil. Ein Kaltblütler wäre in der Nachtluft zu Lethargie erstarrt. Dieses Ding bewegte sich dafür viel zu schnell.
Flinx trat einen Schritt zurück. Jetzt kam das Geschöpf heraus. Es glitt über das feuchte Pflaster und tat dann etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Kein Mensch erwartete von Schlangen, dass sie flogen.
Die gefalteten Schwingen waren blau und rosafarben, so helle Farben, dass er sie selbst in der Dunkelheit identifizieren konnte. Nein, lethargisch war dieses Schlangending ganz sicher nicht, denn seine Schwingen bewegten sich so schnell wie die eines Insekts. Plötzlich wirkte das Geschöpf wie eine riesengroße Biene. Eine blitzartige Bewegung, und es saß auf seiner Schulter. Flinx spürte, wie etwas Dünnes, Muskulöses sich fast vertraut um seine Schulter ringelte. Das Ganze war so schnell geschehen, dass er nicht hatte ausweichen können.
Aber das Geschöpf hatte ganz offenbar auch nicht vor, ihm Schaden zuzufügen. Es saß einfach da, ruhte an seiner Wärme und machte keine Anstalten, ihn anzugreifen. Seine Schnelligkeit hatte Flinx paralysiert, aber nur für einen Augenblick. Denn in dem Moment, als die Schlange sich auf ihm niedergelassen hatte, war all die unendliche Einsamkeit, jeder Funken jenes brennenden Bedürfnisses wie verflogen. Im gleichen Augenblick empfand Flinx in seinem eigenen Bewusstsein eine Art von Klarheit, wie er sie noch nie zuvor empfunden hatte. Was auch immer das Geschöpf war, woher auch immer es gekommen sein mochte, es besaß nicht nur die Fähigkeit, sich zu Hause zu fühlen, es schien auch seinem neuen Gastgeber das Gefühl des Behagens vermitteln zu können.
Eine neue Empfindung drang in Flinx Bewusstsein ein, eine Empfindung, die ganz offensichtlich von der Schlange ausging. Das war das erstemal, dass er ein mentales Schnurren empfunden hatte. Er fühlte in dem Geschöpf keine Intelligenz, aber dafür irgend etwas anderes. In seiner eigenen Art war diese empathische Kommunikation ebenso klar wie Sprache, das emotionelle Äquivalent eines antiken chinesischen Ideogramms - eine ganze Folge komplizierter Gedanken, die als einzige Projektion ausgedrückt war, einfach und doch effizient. Der kleine, wie eine Pfeilspitze geformte Kopf hob sich von Flinx Schulter, und seine hellen kleinen Augen musterten ihn eindringlich. Die Flügel waren jetzt wieder an den Leib der Schlange gefaltet, so dass dieser sich durch nichts von einer gewöhnlichen Schlange unterschied. Flinx erwiderte den Blick und ließ seine eigenen Gefühle aus sich herausströmen.
Langsam entspannte sich das Geschöpf. Der lange Muskelstrang, der
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