Flirte nie in Italien
war. Denn obwohl sie ihn erst wenige Tage kannte, wartete sie sehnsüchtig auf seinen Heiratsantrag. Nicht einmal die Tatsache, dass sie dann ihre Arbeit als Ärztin aufgeben und in ein fremdes Land ziehen müsste, könnte sie davon abhalten, seine Frau zu werden.
Die Liebe zu Bernardo war einfach stärker als die zu ihrem Beruf.
Plötzlich klopfte Renato an die Tür und forderte sie, dringend auf, sich zu beeilen. "Alle anderen sind schon zur Kathedrale nach Palermo gefahren", teilte er ihnen mit. "Ich warte am Auto auf euch."
Unter dem Applaus der Bediensteten begleitete Angie Heather die Treppe hinunter und zum Wagen. Während der Fahrt beobachtete Angie ihre Freundin heimlich, deren Aufregung mit jeder Minute zuzunehmen schien. Doch das war nicht mehr als die verständliche Vorfreude darauf, dass sie in wenigen Minuten ihrem Bräutigam gegenübertreten sollte, um mit ihm den Bund fürs Leben einzugehen.
Unwillkürlich musste Angie an Bernardo denken. Erst am Vortag war er aus Montedoro zurückgekommen, und da er die meiste Zeit mit seinen Brüdern verbracht hatte, um die letzten Details für die Hochzeit vorzubereiten, hatte Angie ihn kaum gesehen.
Umso mehr freute sie sich darauf, ihn in der Kathedrale wieder zu sehen. Sie war sich sicher, dass er sich ebenso darauf freute und es mit einem Lächeln beweisen würde. Und allen, die es bemerkten, würde klar sein, dass schon bald die nächste Hochzeit stattfinden sollte.
Kaum hielt der Wagen vor der Kathedrale, wurden auch schon die Türen geöffnet. Angie half Heather beim Aussteigen und kontrollierte den Sitz des Kleides ihrer Freundin.
Als Oberhaupt der Familie fiel Renato die Aufgabe des Brautführers zu. Er reichte Heather den Arm und begleitete sie in die Kirche. Angie hielt sich dicht hinter ihnen.
Sobald sie die Eingangstür erreichten, erklang die Orgel, und die Gäste erhoben sich von ihren Sitzen.
Trotzdem wurde Angie das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht stimmte, und wie zum Beweis löste sich Bernardo plötzlich aus der Menge, schritt rasch zu ihnen und erklärte aufgeregt, dass Lorenzo verschwunden war.
Noch ehe einer der Anwesenden so recht begriffen hatte, was er meinte, kam ein Junge in die Kathedrale gelaufen. Als er die Braut erblickte, überreichte er ihr wortlos einen Zettel und rannte wieder davon.
Atemlos beobachtete Angie, wie Heather das Blatt entfaltete und Lorenzos handgeschriebenen Brief las.
"Was schreibt er?" fragte sie, als ihre Freundin wie betäubt den Arm sinken ließ und ausdruckslos ins Leere blickte.
Weil Heather nicht reagierte, nahm sie ihr den Brief aus der Hand. Er besagte letztlich nichts anderes, als dass Lorenzo die Konsequenzen daraus gezogen hatte, dass sich alles in ihm gegen die Hochzeit mit Heather sträubte, in die er nur auf Druck von Renato eingewilligt hatte.
Als sie sich zu Bernardo umdrehte, wurde Angie schlagartig klar, dass er ihr über die Schulter gesehen und den Brief gelesen haben musste. In seinem Blick lag eine wilde Entschlossenheit, und er schien bereit, die Schmach, die sein Bruder über die Familie gebracht hatte, mit allen Mitteln zu rächen.
Erst als Baptista zu ihnen kam, legte sich sein Zorn ein wenig. Ihre Miene war wie versteinert. Renato brachte ihr das Unfassbare so schonend wie möglich bei, doch sobald ihr bewusst wurde, was ihr jüngster Sohn getan hatte, begann sie leicht zu schwanken und schloss die Augen.
Renato reagierte am schnellsten. Gerade noch rechtzeitig sprang er vor und fing seine Mutter auf, bevor sie stürzte.
"Legen Sie sie vorsichtig hin", ordnete Angie an und kniete sich neben Baptista. Dann öffnete sie ihr den Kragen und fühlte ihren Puls.
"Ist sie ... ?" Renato wagte es nicht, den Gedanken auszusprechen.
"Nein", erwiderte Angie kurz angebunden. "Trotzdem muss sie sofort ins Krankenhaus."
Ein aufmerksamer Hochzeitsgast hatte bereits den Krankenwagen gerufen, und beide Söhne begleiteten ihre Mutter, als sie auf einer Trage aus der Kathedrale gebracht wurde.
Heather und Angie folgten ihnen im Wagen einer der Hochzeitsgäste. Auf dem Flur der Notaufnahme trafen sie auf Renato und Bernardo, der äußerlich gefasst wirkte. Und doch entging Angie nicht die Anspannung, unter der er stand. Weil sie sich vorstellen konnte, wie sehr ihn in diesem Moment der Gedanke quälen musste, dass er sein Verhältnis zu Baptista nie geklärt hatte, ging sie zu ihm und nahm tröstend seine Hand.
Endlich kam der Stationsarzt zu ihnen und überbrachte die
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