Flirte nie in Italien
"aber du bedeutest mir mehr als alles andere auf der Welt. Tag und Nacht denke ich an dich. Sogar in meinen Träumen bist du bei mir. Und damit es kein Traum bleibt, möchte ich dir einen Vorschlag machen. Morgen fahre ich nach Montedoro. Willst du nicht mitkommen?"
"Du ahnst nicht einmal, wie gern ich das tun würde", erwiderte Angie glücklich und traurig zugleich. "Doch ich kann Heather unmöglich allein lassen."
"Du kannst ihr ohnehin nicht helfen", wandte Bernardo ein. "Mit dem, was ihr meine Brüder eingebrockt haben, muss sie allein fertig werden. Und dazu ist sie wahrlich stark genug."
"Ich werde sie einfach fragen", schlug Angie vor. "Und wehe, sie sagt Nein."
Eng umschlungen kehrten sie ins Haus zurück, in dem längst alle Lichter erloschen waren, so dass niemand sie sehen konnte, als sie Hand in Hand die Treppe hinaufgingen.
"Gute Nacht, Liebling", verabschiedete sich Bernardo vor Angies Zimmertür und küsste sie zärtlich. "Ich werde vor Aufregung kein Auge zutun."
Erst als Angie die Tür hinter sich geschlossen hatte, merkte sie, dass Heather noch nicht schlief.
"Wie geht es dir?" fragte sie besorgt, weil ihre Freundin sehr niedergeschlagen wirkte. "Hast du mit Lorenzo sprechen können?"
"Der hat sich sicherheitshalber aus dem Staub gemacht", erwiderte Heather völlig unbeteiligt. "Mir soll es recht sein", fuhr sie genauso kalt fort, "ihm kann ich ohnehin keinen Vorwurf machen. Eher schon Renato. Ich habe ihn zur Rede gestellt." Unvermittelt wurde ihr Blick wieder lebhaft. "Erst wollte er nicht heraus mit der Sprache, aber schließlich hat er alles zugegeben."
"Was denn?" fragte Angie verständnislos.
"Dass Lorenzo früher aus Stockholm zurückgekommen ist, um ihn zu bitten, die Hochzeit abzusagen oder wenigstens zu verschieben. Doch Renato hat sich nicht nur geweigert, sondern Lorenzo erzählt, dass ich schon einmal kurz vor der Hochzeit sitzen gelassen wurde. Ihm war jedes Mittel recht, um Lorenzo dazu zu bringen, mich zu heiraten - und sei es aus Mitleid."
"Ich hätte größte Lust, ihn zu erwürgen", platzte Angie heraus.
"Das wirst du schön bleiben lassen", entgegnete Heather. "Wenn ihn jemand erwürgt, bin ich es."
Gleichzeitig brachen sie in lautes Lachen aus, und Angie kam nicht umhin, Bernardo Recht zu geben. Heather war stark genug, um mit der Situation allein klarzukommen. Wenn jemand dringend Beistand brauchte, war es Renato.
"Hättest du etwas dagegen, wenn ich morgen etwas unternehmen würde?"
fragte Angie bewusst vage.
Doch Heather hatte es auch so verstanden. "Amüsier dich ruhig mit Bernardo", erwiderte sie lächelnd und umarmte ihre Freundin. "Ich komme schon allein zurecht. Wenn du wüsstest, wie sehr ich mich für dich freue. Wie schön, dass wenigstens einer von uns beiden glücklich verliebt ist."
In den folgenden Tagen bewies Heather eindrucksvoll, dass sie der Situation mehr als nur gewachsen war. Sie meisterte die Schwierigkeiten, vor die sie sich gestellt sah, mit einer Bravour, die Angie allen Respekt abnötigte.
Nachdem Lorenzo reumütig nach Hause zurückgekehrt war, wich sie dem Gespräch mit ihm keinesfalls aus, sondern trat ihm selbstbewusst und mit einer Souveränität gegenüber, die ihn, wie Angie später von Bernardo erfuhr, regelrecht beschämt hatte.
Selbst Renato, der sich sonst durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen ließ, schien Heathers Willensstärke zutiefst verunsichert zu haben. Es war ihm deutlich anzumerken, wie sehr es ihn irritierte, zum ersten Mal einem Menschen zu begegnen, der es wagte, seine Autorität infrage zu stellen, die er bislang gewissermaßen für naturgegeben gehalten hatte.
Vor allem Baptista beobachtete diese Entwicklung mit großem Wohlwollen.
Sie empfand für Heather eine geradezu mütterliche Zuneigung, und selbst als sie aus dem Krankenhaus entlassen worden war, war sie nicht bereit, Heather so einfach gehen zu lassen. Vielmehr wies sie das Angebot empört zurück, die Schenkung ihres Landgutes Bella Rosaria, das sie Heather vor der Hochzeit überschrieben hatte, rückgängig zu machen.
Weil sie sich um ihre Freundin keinerlei Sorgen machen musste, konnte Angie sehr viel Zeit mit Bernardo verbringen. Oft fuhren sie gemeinsam zu seinem Haus nach Montedoro, und Angie bekam zunehmend Respekt davor, dass er bewusst den Reichtum der Familie Martelli - den, wie sie von Baptista wusste, seine Brüder gern mit ihm geteilt hätten - ausschlug und es vorzog, in relativ bescheidenen Verhältnissen zu leben.
Denn
Weitere Kostenlose Bücher