Flirtverdacht Roman
beleidigen. In letzter Zeit war das eine allmorgendliche Routine geworden. Sophie heiratete in knapp einem Monat, und neurotisch, wie sie war, hatte sie sich zu einem regelrechten Brautmonster entwickelt. Ich hatte sogar schon mit dem Gedanken gespielt, einen ihrer Zusammenbrüche mit versteckter Kamera aufzunehmen und an eine Reality-Show zu schicken; allerdings fürchtete ich, dass ich damit gegen sämtliche ungeschriebenen Regeln meines Trauzeuginnen-Abkommens verstoßen würde.
»Die Tussi vom Catering meinte dann mit so einem total affektierten britischen Akzent: Tja, wenn Sie sich mit der Fischauswahl nicht anfreunden können, sollten wir vielleicht einfach tiefgekühlte Fischstäbchen servieren. Und ich: Also, wirklich …«
Ich versuchte, mich nicht auf Sophies Stimme zu konzentrieren, klemmte mir das Telefon zwischen Ohr und Schulter und kämpfte gleichzeitig mit dem Reißverschluss hinten an meinem Rock.
»Jen, ist das nicht einfach unerhört?«, kreischte es aus dem Hörer, so dass ich es auf der Stelle bereute, mir das Telefon so fest ans Ohr gedrückt zu haben. Ich ließ es in die Hand fallen und wechselte zum anderen Ohr, während ich versuchte, mir das lädierte Trommelfell zu reiben.
Dann ließ ich einen Vortrag vom Stapel, den ich in den letzten sechs Monaten schon unzählige Male gehalten hatte. »Soph«, begann ich eindringlich und mit genau dem richtigen Maß an Mitgefühl, »du solltest dich einfach entspannen und jeden das tun lassen, für das du ihn bezahlst. Wenn du versuchst, dich um alles selbst zu kümmern, hast du am Ende weder Zeit noch Energie für deine eigentliche Aufgabe. Nämlich dich in die wunderschöne, strahlende Braut zu verwandeln, die deine ganze Familie und all deine Freunde sehen wollen. Mich selbst eingeschlossen.«
Wie gut, dass ich diese Rede bereits auswendig konnte, denn nachdem ich gerade im Gerichtssaal miterlebt hatte, wie zwei Menschen (und deren Rechtsanwälte) darum gestritten hatten, wie sie ihre Ehe am besten beenden konnten, wollten mir einfach keine überzeugenden Argumente dafür einfallen, wieso sich zwei andere Menschen unbedingt »auf immer und ewig« aneinander binden sollten.
Nicht, dass ich befürchtete, meiner besten Freundin könne es genauso ergehen. Ich war mir absolut sicher, dass Sophies Verlobter Eric das krasse Gegenteil von Todd Langley war. Sagen wir einfach, ich hatte »Beweise«.
»Wahrscheinlich hast du Recht«, lenkte Sophie im Anschluss an meinen kleinen Vortrag ein. Ungefähr zum fünften Mal in den letzten beiden Wochen. Eigentlich unglaublich, dass sie jedes Mal, wenn ich dieselben Worte wiederholte, so reagierte, als höre sie sie zum ersten Mal. Als wären sie ein frischer Lufthauch, obwohl sie in Wirklichkeit nach muffigem, feuchtem Keller rochen, weil ich seit Beginn der ganzen Hochzeitsplanerei immer wieder darauf zurückgegriffen hatte. Aber ich wollte mich nicht beklagen. Sophies Teilamnesie hatte immerhin den großen Vorteil, dass ich mir nicht ständig neue aufmunternde Sprüche ausdenken musste.
»Was soll’s«, fuhr sie fort, »dann gibt es eben Tilapia statt Ahi-Thunfisch. Vielleicht stimmt es ja wirklich, dass er besser zum Wein passt.«
Ich warf einen kurzen Blick auf den Nachttischwecker. Schon viertel vor zehn!
Mist! Ich komme zu spät!
Ich klemmte mir das Telefon wieder ans Ohr und balancierte auf einem Bein, während ich eilig (und ziemlich akrobatisch) versuchte, meinen linken Fuß in einen meiner Lieblingspumps zu zwängen. »Sie hat absolut Recht«, entgegnete ich und zog das Riemchen über die Ferse. »Und ich liebe Tilapia.« Kaum war der Satz über die Lippen, fiel mir auf, dass die Betonung auf dem Wort liebe dann doch etwas übertrieben war. Ich klang wie eine Fünfzehnjährige, die von ihrem neuesten Herzensbrecher schwärmt, und nicht wie eine neunundzwanzigjährige Frau, die sich zum Thema Fisch äußert.
»Wirklich?«, fragte Sophie. Es war unüberhörbar, dass ihr meine Begeisterung komisch vorkam.
»Absolut. Ich habe erst neulich irgendwo gelesen, dass Ahi-Thunfisch absolut out ist. Echt von gestern. Tilapia ist der Fisch der Saison.«
»Oh«, meinte sie zufrieden, und ich wusste, dass ich jetzt den Absprung schaffen musste, bevor sie mit dem nächsten Brand kam, den ich für sie löschen sollte.
»Tja, jetzt muss ich leider schnell zur Arbeit. Bin schon spät dran. Bis bald!«
»Oh, okay. Aber wir sehen uns doch morgen Abend wegen der Tischkarten, oder? Ich habe Zoë gesagt, dass wir
Weitere Kostenlose Bücher