Flirtverdacht Roman
L.A. Die größte Neuigkeit war natürlich die Geschichte von Dean Stanton, dem einflussreichen Geschäftsführer von New Edge Cinema, der sich kürzlich von seiner Frau getrennt hatte und jetzt mit seinem ehemaligen Kindermädchen zusammen war, dem er angeblich eine Rolle im nächsten Film seines Studios verschafft hatte. Das bedeutete dann wahrscheinlich, dass Katie ihren Job bei der Hawthorne Agency nicht mehr brauchte. Nicht, wenn jemand wie Dean Stanton ihr dabei half, die so lange herbeigesehnte Schauspielkarriere anzukurbeln.
In den ersten Wochen schickte ich Zoë zahllose E-Mails, die jede Menge Entschuldigungen und ausführliche selbstanalytische Passagen enthielten, in denen ich beschrieb, was mir alles klargeworden war, seitdem wir uns das letzte Mal gesprochen (oder vielmehr angeschrien ) hatten. Doch ich habe nie eine Antwort bekommen. Am liebsten hätte ich mir eingeredet, dass ihr E-Mail-Account einfach nicht funktionierte oder dass sie ihre Adresse geändert hatte, ohne mich zu informieren, doch mittlerweile stand Ehrlichkeit bei mir an erster Stelle. Ich würde niemanden mehr belügen … schon gar nicht mich selbst. Also musste ich mir schließlich eingestehen, dass mit Zoës E-Mails alles in Ordnung war. Sie antwortete mir einfach nicht.
Der einzige Mensch, den ich nicht zu kontaktieren versuchte, war Jamie. Und die Erinnerung an das letzte Mal, das ich ihn gesehen hatte – wie er mit einer anderen Frau in sein Loft gegangen war –, ließ mir keine Ruhe. Doch die Tatsache, dass er gar nicht versuchte, mich zu erreichen, bestätigte nur meine Überzeugung, dass er mit der Vergangenheit abgeschlossen hatte. Und jetzt war es für mich Zeit, das auch zu tun.
Auf meinen Spaziergängen setzte ich mich manchmal auf eine Bank in einem Park oder einem Garten irgendwo in der Stadt und beobachtete einfach nur die Passanten. Keine Stadt der Welt eignet sich so gut zum Menschenbeobachten wie Paris, weil sich alles im Freien abspielt. Jeder lebt sein Leben in der Öffentlichkeit. Schon in den ersten Tagen hier hatte ich bemerkt, dass meine Fähigkeiten zum Gedankenlesen erheblich nachgelassen hatten. Vielleicht lag es an der fremden Sprache oder der anderen Kultur, oder vielleicht blockierte mich auch mein Bemühen, alle Verbindungen zur Vergangenheit abzubrechen, doch in den Köpfen der Franzosen, die an mir vorbeigingen, war es ungewöhnlich still. Erst machte mir das Angst. Eine solche Stille hatte ich noch nie gespürt. Doch nach einer Weile wusste ich die Ruhe und das Geheimnisvolle der Fremden allmählich zu schätzen. Dadurch machte das Leutebeobachten viel mehr Spaß. Es wurde eine Herausforderung. Ausnahmsweise wurde ich mal nicht mit den Geschichten anderer Menschen überschwemmt. Den Problemen anderer. Und hoffentlich bedeutete das, dass ich mich in Ruhe mit meinen eigenen befassen konnte. Denn Gott weiß, bislang war ich in dieser Hinsicht nicht besonders erfolgreich gewesen.
Mein Aufenthalt in Paris dauerte nun schon fast einen Monat, und ich kam zu dem Schluss, dass ich mir eine Beschäftigung suchen musste. Ich war drei Wochen lang ununterbrochen durch die Stadt gewandert und sehnte mich allmählich nach einer Richtung. Obwohl mein Dad die Miete für die Wohnung hier übernahm, musste ich noch immer meine Hypothek in L.A. abzahlen, und ohne ein geregeltes Einkommen würden meine Mittel irgendwann erschöpft sein.
Als ich Pierre, dem Kellner in meinem morgendlichen Stammcafé, erzählte, dass ich irgendwie Geld verdienen wollte, erfuhr ich, dass der Barkeeper, der unter der Woche die Abendschicht übernahm, gerade gekündigt hatte und der Besitzer nach einem Ersatz suchte.
Die Aussicht klang verlockend. Nicht nur wegen des Geldes, sondern vor allem wegen der Erfahrung. Mein Französisch wurde von Tag zu Tag besser, und so ein Job wäre zweifellos sehr förderlich. Außerdem gefiel es mir, dass es mal etwas anderes war. Es gefiel mir, dass ich mir vor sechs Monaten nie im Leben erträumt hätte, dass ich jemals so etwas tun würde.
Also ging ich auf Pierres Angebot ein und traf mich am nächsten Morgen mit Carlos, dem spanischen Inhaber des Café Bosquet. Zehn Minuten später hatte ich den Job. Zwar fehlte mir die Arbeitserlaubnis, doch Carlos war nur zu gerne bereit, mich unter der Hand in bar zu bezahlen, und ich war froh darüber, endlich wieder einen Ort zu haben, an den ich hingehörte.
Ich arbeitete nun also an fünf Abenden pro Woche, fing jeweils um sechs an und ging kurz nach
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