Flirtverdacht Roman
Käse-Schinken-Sandwich von einem Stand am Straßenrand holt oder ein Menü bei Kerzenschein in einem romantischen französischen Bistro zu sich nimmt. Außerdem hatte er so beiläufig gefragt. So mir nichts, dir nichts mitten in der Unterhaltung, als wäre es keine große Sache. Und wenn dîner auch zu den »falschen Freunden« gehörte, die mir immer häufiger begegneten? Und in diesem Kontext eigentlich bedeutet »auf sehr platonische, asexuelle Weise ein lehrreiches Museum besichtigen«?
Pierre lachte über mein verblüfftes Schweigen, und da bemerkte ich, dass mir der Mund offen stand. »Heißt das Ja?«, fragte er hoffnungsvoll.
Rasch klappte ich meine hängende Kinnlade hoch. »Äh«, stotterte ich, während ich nach den passenden Worten suchte. Im Französischunterricht auf der Highschool lernt man nämlich nicht, wie man jemandem am besten eine Abfuhr erteilt. »Ich … ich glaube eher nicht«, erwiderte ich beredt.
»Pourquoi pas? «, fragte er sofort. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Französische Männer haben ganz bestimmt kein Problem damit, ihre Gefühle zu zeigen. Eine bewundernswerte Eigenschaft. Nur nicht für mich. Nicht in diesem Moment.
Mir war klar, nachdem ich Nein gesagt hatte, würde es zwischen uns nicht mehr so sein wie vorher. So läuft es doch immer, wenn jemand geheime Gefühle offenbart und sich herausstellt, dass diese nicht erwidert werden. Und die Vorstellung, Pierre als Freund zu verlieren, machte mich gleichzeitig traurig und ärgerlich. Weil ich mir plötzlich irgendwie verraten vorkam, wenn ich daran dachte, dass seine ganze Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit und seine witzigen Scherze nur den Zweck gehabt hatten, an mich ranzukommen. Als wäre Pierre der faux ami gewesen.
Ich knöpfte weiter meine Jacke zu, diesmal deutlich eifriger als zuvor. »Weil ich das einfach nicht für eine gute Idee halte.«
Pierre sah mich ein wenig erstaunt an. »Hast du einen Freund?«
Ich zerrte meine Handschuhe aus der Tasche und streifte sie mir über. »Nein.«
»Hattest du aber«, vermutete er ganz richtig. Dann, als er meine stumme Reaktion bemerkte, fügte er hinzu: »Und zwar bis vor sehr kurzer Zeit.«
Besonders scharfsinnig und gleichzeitig selbst leicht zu durchschauen. Tolle Kombination.
»Ja«, erwiderte ich knapp und wickelte mir den Schal so fest um den Hals, als hätte ich einen kilometerlangen Marsch durch die Stadt vor mir, nicht nur die fünfzig Schritte von hier bis zur Wohnung meines Vaters. »Hatte ich, aber das ist vorbei.«
Er neigte den Kopf und studierte meine verzweifelte Miene. »Und deswegen bist du hier, in Paris, stimmt’s?«
Ich starrte zu Boden und stupste mit dem linken Fuß gegen den Bürgersteig. »Ich bin aus vielen Gründen hier.«
Pierre spürte mein Unbehagen und legte mir sanft die Hand auf die Schulter. »Ich kann dir helfen, ihn zu vergessen. In solchen Sachen sind wir Franzosen ziemlich gut.«
Ich kicherte höflich. Aber nicht, weil ich seine Bemerkung witzig gefunden hätte. Sondern weil mir bei seiner Einladung zum Essen genau dieser Gedanke durch den Kopf geschossen war. Ich wusste, dass Pierre der Typ Mann war, bei dem ich Jamie tatsächlich vergessen würde. Oder der mich wenigstens so lange ablenken würde, bis der Schmerz nachgelassen hatte. Und das war gewiss sehr verlockend. Verlockend wie ein Rettungsboot in aufgewühlter See.
Zögernd spielte ich mit den Fransen meines Kaschmirschals. »Tut mir leid, Pierre«, erwiderte ich so freundlich, wie ich konnte. »Ich glaube, ich kann das einfach nicht.«
Eigentlich hatte ich damit gerechnet, er würde verbittert die Schultern hängen lassen, den Kopf senken und die Hände in die Tasche schieben. Doch er schenkte mir nur sein verschmitztes Lächeln, als wüsste er etwas, von dem ich nichts ahnte, und küsste mich auf beide Wangen.
»Du änderst schon noch deine Meinung«, versicherte er mir. So, wie er es sagte, klang es weder unheilvoll noch bedrohlich. Eigentlich sogar irgendwie liebenswert. Er war so von sich überzeugt, als hätte er einen heimlichen Blick in die Zukunft getan. Ich musste lachen.
Er grinste zurück. » Oui? «, vermutete er, weil er meine Erheiterung falsch deutete.
Ich lachte wieder. »Peut-être« , räumte ich schließlich mit einem schüchternen Lächeln ein.
Und das stimmte. Vielleicht würde ich meine Meinung ändern. Vielleicht würde ich eines Morgens aufwachen, ohne dass die erste Sache, die mir in den Sinn kam, Jamie war. Und
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