Flirtverdacht Roman
vielleicht würde ich mir eines Abends beim Einschlafen vorstellen, wie jemand anderes die Arme um mich legte. Aber ich wusste, ich durfte mich nicht darauf verlassen, dass mich jemand rettete. Ich musste es aus eigener Kraft schaffen. In meinem Tempo. Mit meinem eigenen Rettungsboot.
33
… ein Fenster tut sich auf
Als ich an diesem Abend aus der Bar nach Hause kam, berichtete mir mein Dad, dass auf dem Festnetzanschluss jemand namens Zoë für mich angerufen hatte.
Meine spontane Reaktion war: Das kann nicht sein. Seit ich vor mehr als einem Monat nach Frankreich gekommen war, hatte Zoë weder zurückgerufen noch auf meine E-Mails geantwortet. »Bist du dir sicher, dass es nicht Sophie war?«, vergewisserte ich mich und warf ihm einen skeptischen Blick zu.
Mein Dad schürzte die Lippen. »Sie hat ziemlich sicher Zoë gesagt.« Er wies mit dem Kopf auf einen Zettel auf dem Küchentisch. »Ich habe es mir notiert und ihr gesagt, dass du zurückrufst, wenn du wieder da bist.«
Ein nervöses Kribbeln machte sich in meiner Magengegend bemerkbar. Ich warf einen Blick auf die Uhr. »Wie spät ist es da drüben?«
Mein Dad sah auf die Uhr an der Stereoanlage. »Kurz nach drei Uhr am Nachmittag.«
»Danke!«, sagte ich, schnappte mir das Telefon und begann schon auf dem Weg in mein Zimmer, Zoës Nummer zu wählen.
Es klingelte zweimal, bevor sie abhob. »Hi«, begrüßte sie mich leise, ohne jegliche Förmlichkeit.
»Hi«, erwiderte ich ebenso, obwohl mein Herz raste. »Ich bin so froh, dass du angerufen hast. Ich will schon ewig mit dir reden, und –«
»Ich weiß«, schnitt sie mir das Wort ab. »Ich muss dir etwas sagen, und du darfst erst wieder reden, wenn ich fertig bin.«
Ich war ganz erstaunt, wie fest ihre Stimme klang. Absolut untypisch für Zoë. So ruhig und beherrscht war sie sonst nie, und mir schwante, dass mir eine Moralpredigt blühte. Aber ich bezweifelte nicht, dass ich die verdient hatte. Und wenn ich unsere Freundschaft dadurch retten konnte, dass ich geduldig zuhörte, wie sie sich einen ganzen Monat Frust von der Seele redete, dann war ich nur zu gerne dazu bereit.
»Okay«, fügte ich mich.
Zoë holte so tief Luft, dass ich es von der anderen Seite des Atlantiks hören konnte. »Dustin und ich haben uns getrennt«, erklärte sie. Vermutlich waren das die Worte, die ich mir still anhören sollte. Also war ich still.
»Nachdem du seiner Frau alles erzählt hattest«, fuhr sie fort, wobei sie unüberhörbar um ihre Fassung rang, »lief es eine Zeitlang ganz gut. Wir mussten uns nicht mehr verstecken, und ich hatte das Gefühl, wir hätten endlich die Beziehung, die er mir von Anfang an versprochen hatte.
Doch dann hat Alice die Scheidung eingereicht. Und er geriet in Panik und wollte mich verlassen. Auf einmal jammerte er, dass er die Kinder und die einzige Familie, die er je gehabt hat, nicht verlieren wollte. Ich habe ihn natürlich daran erinnert, was er mir versprochen hatte und dass er sie doch sowieso verlassen wollte. Das hatte er mir nämlich wirklich versprochen. Und ich hatte wirklich geglaubt, dass er es ernst meinte … damals zumindest …« Ihre Stimme brach ab, als müsse Zoë alle Kraft zusammennehmen, um weiterzusprechen. »Aber als dann alles Wirklichkeit geworden war, als sie ihn verlassen hat, war es plötzlich wohl doch nicht mehr so verlockend.«
Sie schnaufte laut und verzweifelt. »Offenbar hat Alice versprochen, dass sie ihn wieder zurücknimmt, wenn er mich verlässt und zu einem Psychiater geht. Und das war’s dann für mich. Ich wurde abserviert. Wie eine Nutte vom Hollywood Boulevard. Einfach ausrangiert.«
Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte ich diesen Tag herbeigesehnt. Hatte mir vorgestellt, wie gut ich mich fühlen würde, wenn er endlich kam. Zufrieden, triumphierend, stolz auf mich. Doch jetzt verspürte ich nichts davon. Mein Herz hüpfte nicht. Es war nur voller Mitgefühl.
»Oh, Zoë«, rief ich aus. Wie gerne wäre ich durchs Telefon geschlüpft, um sie zu trösten! »Es tut mir so leid. Ich kann nicht gl… Oh, Moment, darf ich jetzt wieder reden?«
Sie lachte gequält. »Klar. Schieß los.«
»Ich kann nicht glauben, dass er dir das angetan hat«, fuhr ich fort.
»Doch, kannst du«, erklärte sie nüchtern. »Das ist doch genau das, was du mir prophezeit hast.«
Ich senkte beschämt den Kopf. »Es tut mir leid, was ich gesagt und getan habe. Ich hätte dich nicht so verraten dürfen. Ich hätte dich unterstützen sollen. So wie du mich
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