Flirtverdacht Roman
gewitzt, so schlagfertig, so scheinbar immun, was typisch weibliche hysterische Anfälle betraf. Zoë hatte immer eine Antwort parat und nahm nie ein Blatt vor den Mund. Und jetzt sah sie aus, als wäre sie gerade zu einer Überraschungsparty gekommen, die dreieinhalb Monate vor ihrem Geburtstag stattfand.
»Was ist los, Zoë?«, fragte ich. »Kennen wir ihn etwa? Ist es der Exfreund von jemandem?«
Johns Augen begannen zu funkeln. »Ich hab’s gewusst. Es ist bestimmt dieser Typ, mit dem ich letztes Jahr kurz zusammen war. Dieser Byron. Ich hab von Anfang an geahnt, dass er hetero ist!«
Zoë schüttelte den Kopf. »Nein … das ist es nicht«, stammelte sie. »Es ist nur …«
Sophie gestikulierte ungeduldig mit ihrem Lackstift. »Sag mir doch wenigstens schon mal den Namen.«
»Ich bringe ihn nicht mit zur Hochzeit«, verkündete Zoë schließlich.
»Wieso denn nicht?« Sophie klang beleidigt.
»Ich … äh … ich glaube einfach, dass wir noch nicht so weit sind.« Zoë schnappte sich das angebissene Stück kalter Pizza und nahm einen übergroßen Bissen.
Ich musterte sie neugierig. Das war ganz eindeutig nicht die Zoë, die ich kannte. Irgendwas war im Busch. Beim Thema Männer hielt sie sich sonst auch nicht an die allgemein anerkannten Spielregeln. Das war eher Sophies Ressort. Wenn Zoë mit jemandem schlafen wollte, dann schlief sie mit ihm. Wenn sie »Ich liebe dich« sagen wollte, dann sagte sie es. Und wenn sie jemanden mit zur Hochzeit bringen wollte, dann brachte sie ihn mit. In Zoës Welt gab es keine Spielchen. Das war einfach nicht ihre Art.
»Dir ist schon klar, dass sie diejenige ist, die zum Altar schreitet, oder?«, fragte John, während er unübersehbar auf Sophies Scheitel deutete. »Du musst mit dem Typen bloß ein paar langsame Tänze aufs Parkett legen und gemeinsam ein Stück Torte essen. Das ist kein Bund fürs Leben oder so etwas.«
Zoë zuckte mit den Schultern und schluckte ihren Bissen Pizza hinunter. »Weiß ich doch. Ich will ihn bloß einfach nicht mitbringen, okay? Können wir die Sache damit bitte abhaken?«
Sophie runzelte konsterniert die Stirn, während sie die Kappe wieder auf den Stift steckte und diesen dann in ihre Einkaufstüte fallen ließ. »Okay, wie du meinst. Aber falls du deine Meinung noch änderst, kannst du jederzeit …«
»Das wird nicht passieren«, befand Zoë unmissverständlich, und wir alle verstanden das als Wink mit dem Zaunpfahl. Es war wieder ein Themenwechsel fällig.
Der Abend ging schließlich zu Ende, einer nach dem anderen bedachten mich meine Freunde mit einer Umarmung sowie einer weiteren Runde ungläubiger Glückwünsche und verschwanden dann durch die Tür. Sophie mit ihren hundertsechzig perfekt (oder fast perfekt) gestalteten Tischkarten, Zoë mit dem letzten Stück Pizza und offenbar irgendwie auf den Schlips getreten, und John mit seinen Geschichten über das, was sein neuer Freund in der Hose hatte. Bis ich schließlich allein war … allein mit meinem großen, glänzenden Ring.
Jamie übernachtete heute in seinem Apartment, und es war beinahe unwirklich, allein in meinem Wohnzimmer zu sitzen, meinen Finger anzustarren und mir vorzustellen, wie mein Leben in Zukunft aussehen würde – nur wegen dieses kleinen Schmuckstücks.
Ich saß auf der Couch und bewunderte eine Weile den Ring. So genau hatte ich ihn noch gar nicht betrachtet. Ich meine, richtig betrachtet. Ich wusste nicht, wie viel Karat er hatte, denn ehrlich gesagt hatte ich von solchen Sachen keine Ahnung. Aber ich wusste, dass er schön war. Nein, schön war untertrieben. Spektakulär traf es besser. Perfekt quadratisch, auf einem schmalen, schimmernden Platinstreifen. Allein bei seinem Anblick wäre ich am liebsten losgelaufen, um mir eine Maniküre verpassen zu lassen.
Seufzend hievte ich mich von der Couch hoch und machte mich daran, das Wohnzimmer aufzuräumen. Ich trug den leeren Pizzakarton zum Müllschlucker im Treppenhaus. Dann knüllte ich das ganze Zeitungspapier auf dem Wohnzimmertisch zusammen und warf es in die Altpapierbox. Schließlich putzte ich mir die Zähne, wusch mir das Gesicht, schaltete alle Lampen aus und stieg ins Bett. Irgendwie hatte ich damit gerechnet, dass diese alltäglichen, belanglosen kleinen Tätigkeiten sich anders anfühlen müssten, vielleicht sogar neuartig. Denn heute hatte ich sie zum ersten Mal als Verlobte erledigt. Als eine Frau, die bald verheiratet sein würde. Aber es war wie immer gewesen. Zähneputzen war immer
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