Flirtverdacht Roman
Darum habe ich mich gefragt, was nach ihrer Verhaftung aus dem zweiten Auftrag geworden ist.«
Erleichtert stellte ich fest, dass seine Stimme überhaupt nicht vorwurfsvoll oder anklagend klang. Jamies Antwort war beiläufig und ein wenig neugierig. Ganz eindeutig die aufrichtige Reaktion eines liebevollen, fürsorglichen, treusorgenden Freundes – Entschuldigung, Verlobten –, der Konversation machen wollte und vollstes Verständnis für die schreckliche mitternächtliche Rettungsaktion seiner Freundin zeigte.
Mit der Folge, dass ich mich natürlich noch schlechter fühlte, als ich es vorher schon getan hatte.
»Äh«, setzte ich an und schloss wieder die Augen. »Das war schon der zweite Auftrag.«
Wir fuhren auf eine rote Ampel zu, und Jamie lächelte mich zärtlich an und strich mir über die Wange. »Du siehst müde aus, Schatz.«
Bei seiner Berührung wäre ich am liebsten in Tränen ausgebrochen.
Er hat keine Sekunde an meiner Geschichte gezweifelt.
Er hat nicht mal mit der Wimper gezuckt.
Er vertraut mir blind.
Der Kloß, der mir im Magen saß und ständig größer zu werden schien, fing an zu pulsieren. Ich schloss die Augen und versuchte, es zu stoppen. Wenn man es nicht genießt, ist es kein Fremdgehen, redete ich mir ein. Diese Logik tröstete mich ein wenig, obwohl das Pulsieren nicht aufhören wollte.
»Bin ich auch«, sagte ich schließlich nach längerem Schweigen, als Jamie den Sepulveda Boulevard Richtung Autobahn hinunterfuhr.
»Was bist du?«
Ich drehte den Kopf zur Seite und sah aus dem Fenster in den grauen Novemberhimmel, der uns nach Hause geleitete. »Müde.«
Jamie setzte mich an meiner Wohnung ab, damit ich mich ausruhen konnte, während er bei sich zu Hause auspackte. Später zum Abendessen wollte er aber wiederkommen. Nur ruhte ich mich nicht aus. Ich versuchte es nicht einmal. Ich wusste, dass es sowieso keinen Sinn haben würde. Kaum hatte ich meinen Koffer im Schlafzimmer abgestellt, sprang ich schnell unter die Dusche und zog mir dann eine saubere Jeans und ein T-Shirt über, auf dem nicht das Logo des Palazzo prangte. Anschließend nahm ich meine Schlüssel und war innerhalb weniger Minuten wieder aus der Tür.
Ich musste mich beschäftigen, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Nichtstun wäre jetzt mein schlimmster Feind. Also kurvte ich durch die Stadt und dachte mir Besorgungen aus, während ich fuhr. Auf einmal brauchte ich unbedingt Zahnseide und Toilettenpapier aus dem Drugstore. Und vielleicht eine Riesenpackung Kopfschmerztabletten und etwas Selbstbräunungscreme. Und, klar, eine dieser superpraktischen Küchenmaschinen, die ich im Fernsehen gesehen hatte. Und natürlich musste ich etwas aus der Reinigung abholen, obgleich der alte Chinese beharrlich behauptete, ich hätte bereits am Freitag alles mitgenommen. Ich ließ ihn trotzdem noch einmal nachsehen. Dann hielt ich am Bioladen und wanderte gut dreißig Minuten die Regale entlang, aus denen ich wahllos Packungen herausnahm, die Etiketten studierte und sie dann in meinen Einkaufswagen warf, obwohl ich schon ahnte, dass ich das alles wohl niemals verspeisen würde.
Als mir schließlich gegen sieben Uhr abends nichts mehr einfiel, was ich noch erledigen könnte, kehrte ich widerwillig nach Hause zurück und hoffte inständig auf etwas Interessantes im Fernsehen, mit dem ich mich bis zum Schlafengehen weiter ablenken konnte. Und dann würde ich auf jeden Fall eine verschreibungspflichtige Schlaftablette zu Hilfe nehmen.
Ich lenkte meinen Lexus-SUV in die Garage und stellte fest, dass Jamies Jaguar bereits auf dem zweiten Parkplatz stand. Ich holte gequält Luft, parkte den Wagen und stellte den Motor ab.
Am liebsten hätte ich Jamie heute Abend gar nicht gesehen. Ich wollte allein sein. Doch gleichzeitig wusste ich, wie sehr er mir fehlen würde, wenn wir nicht zusammen waren. Mir war, als würden meine Gedanken in die verschiedensten Richtungen gezerrt.
Eines wusste ich jedoch mit absoluter Gewissheit: Ich musste mit dieser Situation fertigwerden. Ich musste die Schuldgefühle bekämpfen und verhindern, dass sie irgendwann als Geständnis aus mir herausbrachen. Jamie war ein wichtiger Teil meines Lebens. Der allerwichtigste. Und ich konnte ihm nicht aus dem Weg gehen. Also musste ich einfach damit fertigwerden.
Ich warf einen flüchtigen Blick in den Rückspiegel, erschauderte, weil ich so erledigt aussah, nahm dann meine Haustürschlüssel und stieg aus dem Auto. Bald würde das Schlimmste vorbei
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