Flitterwochen
bitte, bitte«, bettele ich.
Kevin zückt sein Handy, entfernt sich ein paar Schritte und telefoniert kurz. Als er zurückkommt, grinst er.
»Sag ich doch. Kein Problem. Eure Karre lasst ihr einfach bei mir in der Scheune stehen. Vielleicht krieg ich die wirklich flott, bis ihr wieder da seid.«
»Super«, sage ich höchst erfreut. »Ich müsste nur noch was aus dem Auto holen, bevor wir zu diesem Cousin fahren.« Mein Hochzeitskleid lasse ich nämlich lieber nicht hier in der Scheune.
»Na klar«, sagt Kevin. »Kein Problem.«
Da die Gastgeberin aus dem
Waldschlösschen
nicht aufzutreiben ist, greife ich in Omas Wundertüte und lege hundert Euro in die Küche. Soll mir keiner nachsagen, dass ich die Zeche prelle. Ich bin schließlich eine anständige Bankräuberin.
Dann bringt Kevin uns zu seinem Verwandten, der zwei Dörfer weiter wohnt und bereits voller Vorfreude auf uns wartet. Das Geschäft scheint wirklich schlecht zu laufen.
»Eine gute Wahl, sich für einen Trabant zu entscheiden«, schwadroniert er. »Der Trabant an sich wird ja oft unterschätzt. Dabei ist er ein ganz zuverlässiges Auto, ganz zuverlässig. Der fährt und fährt. Wie lange, sagten Sie, möchten Sie den Wagen leihen?«
»Einen Tag«, antworte ich.
»Besser zwei«, wirft Jan ein, und bevor ich Einspruch erheben kann, fragt unser Retter: »Der Herr fährt?«
»Die Dame fährt«, erklärt Jan.
»Ah, eine Frau am Steuer! Macht nichts, ich hab da weiter keine Vorurteile. Wenn Sie mir kurz Ihre Ausweispapiere und Ihren Führerschein zeigen könnten …«
Au Backe, meine Papiere! Die zeige ich ihm besser nicht. Vielleicht läuft im Fernsehen schon ein Fahndungsaufruf, oder es steht irgendwas über mich in der Zeitung. Wenn der mich erkennt, ruft er bestimmt sofort die Polizei.
»Äh, da gibt es ein kleines Problem. Ich habe meine Papiere zu Hause vergessen. In der ganzen Eile …«, schwindele ich.
»So ist es. Wir mussten ganz spontan und plötzlich aufbrechen. Dringende Familienangelegenheit«, bekräftigt Jan, und Oma Strelow nickt eifrig. Der Autoverleiher guckt ein bisschen komisch, dann nimmt er Kevin beiseite und flüstert mit ihm.
»Na ja«, sagt er dann gedehnt, »damit bringen Sie mich aber in Teufels Küche. Ich kann nicht so einfach, Sie verstehen …«
»Wenn wir Ihnen vielleicht finanziell ein wenig entgegenkommen?«, fragt Jan. Oma nickt und nickt.
»Na ja«, der Mann streicht sich über den Bauch, »Sie sehen nun wirklich nicht aus wie Verbrecher. Und Kevin sagt auch, dass man Ihnen vertrauen kann. Ich denke mal, da kommen wir irgendwie zusammen …«
Na also, her mit der Wundertüte!
Nachdem Jan unserem Retter finanziell erheblich entgegengekommen ist, verabschieden wir uns von Kevin und bedanken uns überschwenglich für seine Hilfe. Dann folgen wir dem Autoverleiher zu unserem neuen Fluchtwagen. Voller Stolz präsentiert er uns sein Prachtstück – einen knall-lila-metallic-farbenen Trabbi. Wir quetschen uns in die Blechbüchse und rattern los. Mit rasanten siebzig Stundenkilometern ruckeln und zuckeln wir Richtung Polen. Und überall, wo Menschen auf der Straße sind, bleiben sie stehen und schauen unserem leuchtenden Knattergefährt hinterher. Unauffällig geht irgendwie anders.
6 . Kapitel
L angsam, aber sicher nähern wir uns mit unserem Bling-Bling-Gefährt der polnischen Grenze. Bestimmt werden wir angehalten. Mir bricht der Schweiß aus. Was mache ich denn, wenn die meinen Ausweis sehen wollen? O Gott, o Gott, das war’s dann wohl. Im Geiste höre ich schon die Handschellen klicken. Nervös reibe ich mein Handgelenk.
»Alles klar?«, fragt Jan, dem meine Unruhe nicht entgeht.
»Nee, nichts ist klar. Es ist nur noch ein Kilometer bis zum Grenzübergang. Ich hab echt Schiss!«
»Warum das denn? Kann doch überhaupt nichts passieren. Schließlich gehören wir Polen zur Europäischen Union, da gibt’s keine Kontrollen mehr«, sagt Jan.
Natürlich behält er recht. Wir knattern an einem verwaisten Grenzposten vorbei und – zack – sind wir in Swinemünde. Dass wir Deutschland verlassen haben und in einem anderen Land sind, sieht man allerdings sofort. Statt über Asphalt holpert der Trabbi jetzt über Kopfsteinpflaster, am Straßenrand reiht sich Bretterbude an Bretterbude, und Schilder versprechen:
Billig!!! Zigaretten!!!
Dahinter stehen etwas heruntergekommen wirkende Plattenbauten.
»Na, das ist ja hübsch hier«, frotzele ich.
Oma Gerda starrt angestrengt aus dem Fenster und murmelt:
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