Flitterwochen
gesessen, Brause getrunken und Händchen gehalten. So war das damals. Herrlich. Pommersche Seebäder sind einfach die allerschönsten.«
»Polnische Bäder!«, korrigiert Jan sie sofort.
Ich seufze. Schwer zu sagen, wer von meinen beiden Mitreisenden mir mit seiner Heimatliebe mehr auf die Nerven geht. Ich brauche jetzt auf alle Fälle erst mal eine große Portion Kohlehydrate.
Wir parken in der Nähe der Promenade und beschließen, ein paar Schritte zu laufen. Der Trabbi fährt zwar prima, aber wirklich bequem sitzt man darin nicht. Etwas Bewegung wird uns jetzt ganz guttun. Wir nehmen Oma Strelow in die Mitte, haken sie unter und gehen los. Hinter der Promenade entdecken wir eine lange Seebrücke mit einem überdachten Teil, in dem sich Restaurants und Nippesläden befinden. Weiter hinten gibt es zahlreiche Buden, in denen man Eis und heiße Waffeln in sämtlichen Variationen essen kann – mit Sahne, mit Schoko-, Frucht- oder Karamellsoße, mit Streuseln, und, und, und. Lecker!
Wir schlendern die Brücke entlang, betrachten die bewaldete Steilküste und atmen tief die würzige Ostseeluft ein. Ganz glatt liegt das Meer da, und der breite, weiße Strand ist menschenleer. Klar, um diese Jahreszeit ist hier noch tote Hose.
»Guck mal!«, macht mich Jan auf Hunderte von Vorhängeschlössern in allen Größen und Farben aufmerksam, die am Geländer der Brücke baumeln.
Was haben die denn hier zu suchen? Ich nehme eins in die Hand.
Aneta & Jakub, 28. 8. 2008
ist darauf eingraviert.
»Das sind Liebesschlösser«, erklärt Jan. »Die hängen verliebte Pärchen hier auf, als Zeichen ihrer Verbundenheit.«
»Ach, das ist ja romantisch«, rufe ich und muss sofort an Alexander denken. Was der wohl gerade macht? Wahrscheinlich dreht er seit gestern durchgehend am Rad. Ich schaue auf meine Uhr – morgen früh hebt unser Flieger ab. Hoffentlich klappt das noch alles, sonst spricht Alexander bestimmt kein Wort mehr mit mir.
Meine Augen füllen sich schon wieder mit Tränen, zurzeit bin ich echt nah am Wasser gebaut.
Jan schaut mich betroffen an, dann klopft er mir etwas unbeholfen auf die Schulter. »Das wird schon wieder«, sagt er aufmunternd. »Wenn wir aus Kolberg zurück sind, dann erklärst du deinem Alexander alles, und dann kann er dir bestimmt nicht mehr böse sein.«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, schniefe ich.
»Sicher, der liebt dich doch, oder?«
»’türlich«, murmele ich, bin mir da im Moment aber gar nicht so sicher.
»Na also«, sagt Jan, wirft sich in eine übertriebene Pose und ruft theatralisch: »Ein liebender Mann verzeiht alles!«
Er sieht so komisch aus, dass ich lachen muss.
Jan grinst – genau das hat er wohl beabsichtigt. »Und weißt du was? Wenn das alles ausgestanden ist, dann kommst du mit ihm hierher, und ihr hängt euer eigenes Schloss auf!«
Das ist gar keine schlechte Idee, es gefällt mir nämlich richtig gut hier. In diesem Badeörtchen könnte man glatt mal Urlaub machen. Versonnen blicke ich Richtung Küste und sehe gerade noch, wie Oma Strelow entschlossen Richtung Promenade wackelt. Mensch, auf die alte Dame muss man aufpassen wie ein Schießhund!
»Ooooma!«, schreien Jan und ich gleichzeitig und rennen hinter ihr her.
Als wir sie eingeholt haben, nimmt Jan sie fest an die Hand. »So, und jetzt suchen wir uns ein nettes Café«, befiehlt er. Oma Strelow nickt ergeben.
Wir können uns erst gar nicht entscheiden, so viele Cafés, Restaurants und Bars gibt es an der Promenade, dazwischen schicke Boutiquen und erstaunlicherweise jede Menge Friseure. Hier steppt im Sommer bestimmt der Bär.
Schließlich landen wir in einem nostalgisch verplüschten Etablissement, das zu einem großen Hotel gehört. In der großen saalähnlichen Gaststube hängen riesige Kronleuchter, überall stehen alte Holzmöbel, und auf dem Boden liegen dicke Teppiche. Ich komme mir ein bisschen vor wie in einer anderen Zeit, und es würde mich nicht wundern, wenn gleich ein befrackter Kellner an unseren Tisch geeilt käme.
Der Kellner ist zwar nicht befrackt, aber außerordentlich beflissen und serviert uns nach kurzer Zeit Kaffee und heiße Waffeln, die genauso köstlich sind, wie ich es mir vorgestellt habe. Jan und ich hauen ordentlich rein, nur Oma Strelow stochert gedankenverloren in ihrer geschlagenen Sahne.
»Gerda, geht’s dir gut?«, fragt Jan.
Ihr Blick flackert und umwölkt sich, plötzlich wird sie ganz steif, greift nach seinem Arm und krallt sich daran fest. »Fritz«, zischt
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