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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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sich vor uns auf und hält eine Ansprache, die Jan simultan übersetzt.
    »Ja, äh, in Polen wird nach einer Trauerfeier immer anständig getrunken und gegessen. Miroslav war nun auf ein derartiges Ereignis nicht vorbereitet. Aber er bittet uns, das wenige, was er hat, mit ihm zu teilen und seine Gäste zu sein.«
    Alle außer mir applaudieren stürmisch und setzen sich dann erwartungsvoll auf die Holzbänke. Ich bleibe einfach noch ein bisschen auf den Planken liegen, da fühle ich mich im Moment gerade ganz wohl.
    In Ermangelung weiterer Gläser werden die Flaschen von einem zum andern gereicht. Miroslav wühlt in seinem Korb, und da sind sie endlich, die vielbeschworenen polnischen Würste. Jan geht zwischen den alten Herrschaften hin und her und preist die landestypische Spezialität an: »Müssen Sie probieren. Die ist lecker! Nur beste Zutaten! Schmeckt gut, nicht?«
    Dann blickt er fragend zu mir und wedelt mit einem Wurstzipfel. Ich schüttele nur stumm den Kopf. Der Anblick schmatzender Menschen trägt nicht gerade zur Besserung meines Allgemeinbefindens bei, von dem durchdringenden Wurstgeruch ganz zu schweigen.
    Die geriatrische Runde wird immer lauter und lustiger, und auch Frau Strelow schluckt ordentlich Wodka. Ich bin mir nicht sicher, ob das so gut ist – nach der ganzen Aufregung der letzten beiden Tage. Aber mir ist immer noch viel zu mulmig, als dass ich sie davon abhalten könnte.
    Stattdessen zerren die Berliner Oma in ihre Mitte und bilden eine Polonaise.
    »Und dann geht sie los, mit ganz großen Schritten, und Heinzi fasst der Gerda von hinten an die … Schultern …«
    Herrjemine, schlimmer geht’s nimmer. Aber Gerda scheint’s zu gefallen. In einem Zustand irgendwo zwischen ziemlich willenlos und völlig enthemmt macht sie mit. Sogar Jan reiht sich ein!
    Eine gefühlte Ewigkeit später hat die lustige Seefahrt schließlich doch ein Ende. Wir schippern in den Kolberger Hafen und legen mit einem satten Rums an – offenbar hat der Käpt’n auch etwas zu tief in die Flasche geschaut. Selbstredend bin ich die Erste, die von Bord geht, und kurz bin ich versucht, auf die Knie zu fallen und den Boden zu küssen, als wäre ich der Papst.
    Die Verabschiedung von unserer spontanen Trauergesellschaft gerät recht rührselig. Es werden wahllos feuchte Küsse verteilt, und Oma bekommt sogar zahlreiche Telefonnummern zugesteckt. »Gerda, meld dich, wenn du wieder zu Hause bist. Und komm uns mal in Berlin besuchen!« Dann müssen sich die Rentner Gott sei Dank sputen, sie haben noch Programm.
    Ich gucke auf die Uhr. Kurz nach halb fünf. Okay, wenn wir jetzt sofort losfahren und der Trabbi nicht schlappmacht, sind wir zwischen neun und zehn in Lübeck. Dann, zack, sofort mit Frau Strelow zur Polizei, länger als eine Stunde brauchen wir bestimmt nicht, um das Missverständnis aufzuklären. Dann werde ich Alexander alles erklären, er wird verstehen, wegen seiner vollkommen unangebrachten Reaktion fürchterlich zerknirscht sein und mich um Verzeihung bitten. Und dann schaffen wir Samstagfrüh auch noch unseren Flieger und können Ostern heiraten. Wie es die Weissagung prophezeit hat. Perfekt!
    Aber vorher brauche ich unbedingt ein Klo. Ich möchte mir ein wenig die Kotze vom Pulli waschen. Der Gestank ist wirklich widerlich. Ich weihe Jan und Oma in meinen genialen Zeitplan ein, und die beiden nicken ergeben.
    Ich marschiere los, die zwei in meinem Windschatten immer hinter mir her. Vor einem Hafen-Café drücke ich Oma Strelow in einen Stuhl.
    »So, ich mach mich schnell frisch. Sie bleiben jetzt schön hier sitzen. Jan, du bleibst bei ihr, klar?« Klar!
    Kaltes Wasser kann ja Wunder wirken. Nach der Katzenwäsche bin ich ein neuer Mensch, meine Lebensgeister sind zurückgekehrt, und ich könnte Bäume ausreißen.
    »Nach Hause, nach Hause, jetzt fahr ich nach Hause«, summe ich vergnügt vor mich hin, als ich aus dem Café komme.
    Mein lustiges Liedchen bleibt mir im Hals stecken, denn da draußen ist keine Sau. Na ja, eine Möwe glubscht mich misstrauisch an, aber von Jan und Oma keine Spur. Bevor ich mich aufregen kann, biegt Jan fröhlich pfeifend um die Ecke.
    »Mensch, ich wollte gerade ausflippen! Hast du Frau Strelow schon zum Auto gebracht?«, will ich wissen.
    »Nö«, sagt Jan, »ich war nur schnell Zigaretten holen. In Deutschland wird’s ja wieder sauteuer, da muss ich den Ausflug in die Heimat nutzen.« Dann stutzt er. »Wo ist denn Gerda?«
    »Wie, wo ist Gerda? Du solltest doch

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