Flitterwochen
weitersuchen.«
»Neihein!!!«
Irgendjemand schreit ziemlich laut. Ups, ich glaube, das bin ich. Meine Mutter sagt immer, wer schreit, hat unrecht – aber das ist mir jetzt wirklich egal. »Jan, wenn ich nicht bald nach Hause komme, dann verpasse ich meinen Flug, und dann muss ich meine Hochzeit womöglich komplett verschieben, weil wir dann in diesen Ferien vielleicht gar keinen Flug mehr auf die Seychellen kriegen. Und dann kann ich Ostern nicht heiraten, und dann wird Alexander stinksauer sein. Noch saurer, als er es jetzt schon ist. Und dann will er vielleicht gar nicht mehr heiraten. Und dann verpasse ich meinen Traummann. Und dann werde ich nie wieder glücklich werden. Und dann …«
»Tine!« Jan wirft seine Zigarette weg, packt mich an den Schultern und schüttelt mich. »Jetzt beruhige dich mal – du bist ja völlig außer dir! Atme mal tief durch, sonst fällst du als Nächstes noch in Ohnmacht.«
Wahrscheinlich hat Jan recht. Ein bisschen schwindelig ist mir schon. Ich atme also tief durch, besser gesagt: Ich versuche es. Denn jetzt laufen mir die Tränen nur so über die Wangen, und wenn ich weine, kann ich erst recht nicht tief durchatmen. Ich fühle mich furchtbar!
»Hey, Tine«, Jans Stimme klingt jetzt ganz sanft, »ich verspreche dir, dass ich alles tun werde, damit die ganze Angelegenheit wieder in Ordnung kommt. Und wenn ich persönlich einen Flug auf die Seychellen chartere. Aber Panik-Aktionen bringen nichts. Wir brauchen Oma, sonst hat es keinen Sinn, nach Lübeck zurückzufahren. Wer soll dich denn bei der Polizei raushauen? Morgen, wenn es hell ist, finden wir sie bestimmt. Und jetzt suchen wir mal ein nettes Hotel, in dem wir uns aufs Ohr hauen und ein bisschen ausruhen können.«
Ich zwinge mich dazu, ruhig zu atmen, und trockne meine Tränen mit dem Taschentuch, das Jan mir gibt.
»Okay, aber dann muss ich Alex wenigstens anrufen. Er muss ja wissen, dass ich es nicht mehr rechtzeitig schaffe.« Ich wühle das Handy aus meiner Tasche und will es gerade anschalten, als Jan mir ein anderes unter die Nase hält.
»Hier, nimm meins. Nicht dass wir gleich noch Besuch von der Polizei bekommen. Ich hab die Nummer schon unterdrückt, kannst loslegen.« Er grinst und macht keinerlei Anstalten, einen Schritt zur Seite zu gehen, als ich anfange zu telefonieren. Privatsphäre war offensichtlich gestern.
Es klingelt vier Mal, dann springt die Mailbox an. Bin ich enttäuscht, Alex die schlechte Nachricht nicht persönlich überbringen zu können? Oder vielleicht sogar erleichtert? Ich weiß es momentan selbst nicht – Hauptsache, ich bringe es jetzt überhaupt mal hinter mich.
»Hallo, Alex, hier ist Tine. Es tut mir furchtbar leid, aber ich schaffe es morgen nicht rechtzeitig zum Flughafen. Bitte sei nicht böse. Ich kann dir alles erklären. Ich liebe dich!«
Als ich auflege und Jan sein Handy zurückgebe, zittern meine Hände. Jan drückt sie kurz und lächelt mir aufmunternd zu. Offensichtlich ist er ein unverwüstlicher Optimist. Aber es geht ja auch nicht um seine Hochzeit.
Wir tuckern ins Kurviertel und versuchen es zuerst im
Hotel Leda Spa,
dann im
Aquarius Spa,
im
Marine Hotel
und noch in drei weiteren Häusern. Zimmer gibt’s zwar zur Genüge, doch alle Empfangsdamen bitten beim Check-in sehr freundlich, aber bestimmt um meinen Ausweis.
Die fadenscheinige Ausrede, dass ich den in der Reise-Aufregung zu Hause vergessen habe, nimmt mir niemand ab. Wir haben ja nicht mal Gepäck dabei, außerdem sehen wir mittlerweile ziemlich heruntergekommen aus. Und ich befürchte, dass mich immer noch ein Hauch von Eau de Kotz umweht.
Meinen Perso einfach auf den Tresen zu knallen traue ich mich nicht. Auch Jan hält das für keine gute Idee. »Du bist bestimmt zur Fahndung ausgeschrieben. Und wer weiß, wie die hier vernetzt sind …«, orakelt er.
»Aber was machen wir denn jetzt?«, quake ich weinerlich. »Wir können doch schlecht im Auto oder am Strand pennen. Es ist viel zu kalt!«
»Ach, am Strand wär doch ganz romantisch …« Jan grinst frech. Dann zückt er sein Handy. »Ich ruf jetzt einfach meine Tante an und frag, ob wir bei ihr schlafen können. Die will garantiert nicht deinen Ausweis sehen!«
»Ist es nicht schon ein bisschen zu spät, um deine Tante anzurufen?«
»Quatsch«, Jan winkt lässig ab. »Wenn jemand Hilfe braucht, ist die Familie bei uns rund um die Uhr einsatzbereit. Alte polnische Tradition.«
Jan telefoniert einen Augenblick, dann zieht er mich zum
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