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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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Auto. »Komm, Tante Małgorzata macht schon die Gästebetten fertig.«
    »Oh, das ist ja unkompliziert«, freue ich mich. »Was hast du ihr denn erzählt, wer ich bin und was wir hier überhaupt machen?«
    »Äh, noch gar nichts. Ich werde da gleich ein bisschen improvisieren …«
    Wir knattern durch das nächtliche Kolberg und halten vor einem Plattenbau, der sehr malerisch direkt an den Bahngleisen liegt. Das ganze Haus ist schon stockdunkel, nur im dritten Stock glimmt ein kleines Lichtchen. Jan klingelt, und sofort ertönt der Summer. Wir gehen durch das Treppenhaus nach oben, als auch schon krachend die Tür auffliegt. Eine Frau in den Fünfzigern stürzt sich mit einem Aufschrei in Jans Arme und redet ohne Punkt und Komma auf ihn ein. Jan klopft ihr beruhigend auf den Rücken und versucht, sich aus ihrer Umklammerung zu befreien.
    Dann entdeckt die Tante mich und mustert mich von oben bis unten. An ihrem Blick sehe ich, dass ich in meinem derzeitigen Zustand nicht den besten Eindruck hinterlasse. Ich strecke ihr die Hand hin. »Guten Abend, bitte entschuldigen Sie die späte Störung. Äh, es ist sehr nett von Ihnen …«
    »Das kannst du dir sparen«, lacht Jan. »Tante Małgorzata spricht kein Deutsch. So, jetzt lass uns erst mal reingehen.«
    Tante Małgorzata führt uns durch einen langen Flur, von dem diverse Türen abgehen. Die Wohnung scheint ganz schön geräumig zu sein. Wir landen in der Küche, und unsere Gastgeberin serviert uns heißen schwarzen Tee mit viel Zucker.
    Dann klärt Jan seine Tante offensichtlich über unser nächtliches Erscheinen auf und erzählt und erzählt. Es muss eine tolle Geschichte sein, denn Tante Małgorzata reißt abwechselnd den Mund und die Augen auf, schlägt die Hände vors Gesicht und sagt: »Oioioioioi!«
    Anschließend bekommt Jan die Couch im Wohnzimmer zugewiesen, mich führt sie in ein Gästezimmer, drückt mir ein sauberes Handtuch und ein mintfarbenes Nachthemd in die Hände und deutet auf eine Tür am Ende des Flurs. Aha, das ist wahrscheinlich das Bad. Ich bedanke mich artig bei ihr und nehme mir fest vor, morgen mit Jan ein paar polnische Vokabeln zu pauken. So essenzielle Sachen wie
Guten Tag, Bitte, Danke
und, am wichtigsten:
WO IST OMA
?!?
    Im Badezimmer überlege ich ganz kurz, ob es für hiesige Verhältnisse schon zu spät ist für eine heiße Dusche. Aber ich kann einfach nicht widerstehen, und nach der ausgiebigen Körperhygiene mit Tante Małgorzatas nach Pfirsich duftendem Duschgel fühle ich mich sofort viel besser.
    Das Einzige, was jetzt zu meinem Glück noch fehlt, ist eine Zahnbürste. Na gut, man kann nicht alles haben. Dann werde ich eben gleich morgen früh in der Stadt eine kaufen. Als ich in den Spiegel gucken will, sehe ich, dass er verhängt ist. Komisch. Aber vielleicht will Jans Tante ja die Wände streichen.
    Bevor ich ins Bett gehe, schleiche ich noch einmal leise zu Jan, der schon auf seiner Couch schnarcht. Ich will unbedingt wissen, was er seiner Tante erzählt hat. Damit ich mich nicht aus Versehen verplappere. Obwohl das ja eigentlich nicht passieren kann, weil sie mich gar nicht versteht. Trotzdem, ich bin neugierig.
    Gerade als ich Jan wecken will, räuspert sich hinter mir jemand energisch. Wie ein Racheengel steht Tante Małgorzata im Türrahmen und guckt mich streng an. »Gute Nahacht«, flöte ich und husche schnell in mein Bettchen. Offenbar ist das hier ein ganz anständiges Haus. Kein Damenbesuch nach zweiundzwanzig Uhr!
     
    Ich werde von Vogelgezwitscher wach und brauche einen Augenblick, bis ich weiß, wo ich bin. Irgendwo klappert es. Da ist also schon jemand außer mir wach.
    Als ich nach meinen Sachen suche, entdecke ich einen Wandspiegel, der ebenfalls mit einem Laken abgedeckt ist. Wahrscheinlich soll die ganze Wohnung renoviert werden. Obwohl ich eigentlich finde, dass hier alles tipptopp aussieht. Meine Sachen kann ich allerdings nirgendwo entdecken – ob Małgorzata die schon in den Sondermüll gesteckt hat?
    Also muss ich wohl oder übel in meinem mintfarbenen Ungetüm von einem Nachthemd auf Entdeckungsreise gehen. Die Geräusche kommen aus der Küche, und von dort zieht auch ein unwiderstehlicher Duft durch die Wohnung. Mmmh, da wird wohl gebacken. Mein Magen rumpelt auffordernd. Vielleicht krieg ich ja was ab.
    Mit einem fröhlichen »Guten Morgen! Was riecht hier denn so gut?« trete ich zu Tante Małgorzata, die sich tatsächlich gerade am Ofen zu schaffen macht.
    »Das ist Babka, den gibt es

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