Flitterwochen
Geld. Ich versuche noch mal, zu Wort zu kommen. »Alex, kannst du mich mal ausreden lassen? Bitte! So kommen wir doch nicht weiter!«
Empörtes Schnaufen am anderen Ende der Leitung, aber jetzt hält er die Klappe.
»Schatz, ich kann dir alles erklären. Ich habe keine Bank überfallen. Du kennst mich doch, du weißt, dass ich so was niemals tun würde.«
»Im Moment weiß ich gar nichts mehr …«
»Alex, du musst mir vertrauen. Ich bin bald wieder zu Hause, und dann werde ich alles aufklären. Und dann können wir endlich heiraten!«
»Heiraten? Wie kannst du immer noch ans Heiraten denken, während hier gerade meine Karriere den Bach runtergeht?« Er brüllt schon wieder.
Ich bin so vor den Kopf gestoßen, dass ich einfach auflege. Ungläubig schüttele ich den Kopf. Der vertraut mir offensichtlich kein bisschen. Und das Einzige, woran er denken kann, ist seine Karriere, sein Ruf und sein Geld. Es hat ihn noch nicht mal interessiert, wie’s mir geht!
Wie ferngesteuert lege ich meine Złoty auf den Tresen, verlasse das Café und gehe in die Basilika. Dort sitzen ganz schön viele Menschen und beten. Ich suche mir eine ruhige Ecke, hocke mich auf eine Kirchenbank und versuche, nicht zu weinen.
So ein ausgemachtes Arschloch!
Er
steckt also in Schwierigkeiten. Der soll mich mal fragen! Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn unsere Hochzeit tatsächlich platzte. Alexander offenbart nämlich gerade ein paar Charakterzüge, die mir überhaupt nicht gefallen.
Ruhig bleiben, Tine, ruhig bleiben, beschwöre ich mich selber. Das ist ja auch für Alexander eine vertrackte Situation. Da verschwindet seine Braut von einer Sekunde auf die andere und ist auf einmal als Bankräuberin und Geiselnehmerin zur Fahndung ausgeschrieben. Da kann man schon mal die Nerven verlieren und überreagieren. Wenn ich wieder in Lübeck bin und sich alles aufgeklärt hat, wird er sich auch wieder beruhigen. Und dann sprechen wir uns vielleicht einmal gründlich aus, und alles wird wieder gut. Wir werden gemeinsam ins Reisebüro schlendern und einen neuen Flug buchen, oder aber einfach in Lübeck heiraten. Ist ja auch nicht das Schlechteste. Meine Mutter wäre jedenfalls begeistert. Und die Flitterwochen holen wir in den Sommerferien nach.
Das leise Gemurmel um mich herum und die sakrale Atmosphäre des Doms beruhigen mich tatsächlich. Ich atme noch ein paar Mal tief durch, dann stehe ich entschlossen auf. Bevor ich zu Hause irgendetwas klären kann, brauche ich sowieso erst mal Oma. Also, weiter geht’s!
Etwas langsamer als vorhin durchforste ich nun in Kolbergs Altstadt Straße für Straße und verbinde meine Suche dabei mit etwas Nützlichem. Von meinen restlichen Złoty kaufe ich mir in einer Drogerie eine Zahnbürste, Zahnpasta und ein Deo. Dazu noch ein schlichtes weißes T-Shirt und einen Dreierpack Damenslips. Wenn schon Bankräuberin, dann wenigstens eine einigermaßen gepflegte!
Um kurz vor fünf gehe ich wie besprochen zurück zum Dom. Dort wartet Jan schon auf mich und winkt ganz aufgeregt.
»Hast du sie gefunden? Wo ist sie denn?«, will ich sofort von ihm wissen.
»Noch nicht«, antwortet er, »aber fast. Sie muss irgendwo im Kurviertel stecken. Ich hab halb Kolberg befragt, und ein paar Leute haben sie da gesehen.«
»Und das war ganz sicher Oma Strelow?«
»Na ja, eine ältere Frau, die abgerissen wirkt, Deutsch vor sich hin brabbelt und etwas in einer Plastiktüte mit sich rumschleppt – wie viele wird’s davon wohl geben?«
»Ja, das muss sie gewesen sein! Dann lass uns da jetzt sofort weitersuchen.«
»Nee, Tine, das geht nicht. Die ganze Familie wartet mit dem Essen auf uns. Wir müssen zurück zu Tante Małgorzata. Du willst doch nicht, dass meine Schwester sauer wird.«
»Das kann nicht dein Ernst sein. Das ist nun wirklich nicht das, was mir Kopfzerbrechen bereitet! Auf der Liste meiner drängendsten Probleme stehen nämlich leider ein paar ganz andere Dinge: Meine Hochzeit droht zu platzen, mein Verlobter ist stocksauer, ich bin wahrscheinlich international zur Fahndung ausgeschrieben – habe ich noch irgendwas vergessen? Ach ja, und vielleicht will die Fargo-Bank demnächst zwanzigtausend Euro von mir. Also: Was hab ich mit deiner Schwester zu tun?«
Jan stöhnt. »Nun komm schon! Mit einer sauren Karolina ist nicht gut Kirschen essen!«
»Tja, dann musst du vielleicht mal erwachsen werden und dich bei der Dame durchsetzen. Schließlich wirst du nicht mehr jeden Morgen in den
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