Flitterwochen
aber erst morgen nach der Osterweihe«, kommt es aus einer Ecke in einwandfreiem, wenn auch mit starkem Akzent gesprochenem Deutsch.
Ich erschrecke mich fast zu Tode und fahre herum. Auf der Küchenbank sitzt eine sehr gepflegte, falsche Blondine und schaut mich kühl an.
»Oh, hallo«, stottere ich unbeholfen. »Was ist denn Babka?«
»Dafür, dass Sie sich so für unser Land interessieren, kennen Sie sich aber mit polnischen Osterbräuchen nicht gut aus«, entgegnet die Blondine und bedenkt mich mit einem weiteren abschätzigen Blick.
Ich interessiere mich für Polen? Seit wann? Wer ist das überhaupt? Und wo steckt Jan? Hilfe! Ich trete die Flucht nach vorn an.
»Tine, Tine Samstag«, stelle ich mich der Zicke vor. »Und wer sind Sie?«
»Karolina, Jans Schwester.«
»Ach, die mit dem Baby!«, platzt es aus mir heraus. »Herzlichen Glückwunsch! Aber sollten Sie nicht mit Ihrer Mutter in Stettin sein?«
»Das ist Krystyna, die Kleine. Ich bin die ältere Schwester. Sie wissen aber gut über unsere Familie Bescheid, für eine … flüchtige Bekannte meines Bruders«, sagt sie, und ihre rechte Augenbraue wandert fast bis zum blondierten Haaransatz.
Mist, ich rede mich hier gerade um Kopf und Kragen. Was hat Jan nur erzählt? Zum Glück steckt der genau in diesem Augenblick seinen verwuschelten Kopf zur Tür herein. »Huhu, Tine! Na, gut geschlafen?«
Bevor ich antworten kann, kommt aus der Meckerecke ein scharfes »Jan!«, und Jan erschreckt sich noch mehr als ich, als er seine Schwester sieht.
»Oh, äh, huch! Karolina! Das ist ja, äh, nett. Was machst du denn hier?«
»Ostern feiern. Mit der ganzen Familie. Wie jedes Jahr. Du hattest ja keine Zeit, weil du auf Frau Strelow aufpassen musst … angeblich.«
Dann wechseln die beiden ins Polnische, und es entspinnt sich ein amtlicher Streit. Tante Małgorzata stört das Geschrei in ihrer Küche offenbar nicht weiter – völlig ungerührt drückt sie mich auf einen Stuhl und serviert dann Tee, dick geschnittenes Weißbrot, Käse, Gurken und Tomaten. Dann wurschtelt sie weiter.
Der Radau hat ein weiteres Mitglied der Familie geweckt: Ein bärtiger Mann im Pyjama stolpert herein, sieht mich, verschwindet wieder und kehrt kurz darauf anständig angezogen zurück. Auch er setzt sich an den Frühstückstisch. Langsam wird’s eng hier.
»Das ist Onkel Leszek, der Mann meiner Tante«, erklärt Jan kurz, um sich dann sofort wieder Karolina zuzuwenden und sie weiter anzubrüllen.
Nachdem die beiden sich mal so richtig ausgesprochen haben, sagt Jan: »So, Tine, jetzt machen wir uns fertig, und dann zeige ich dir wie versprochen unser schönes Kolberg.« Dabei zwinkert er mir verschwörerisch zu.
»Super! Da freue ich mich schon die ganze Zeit drauf«, antworte ich und hoffe, dass ich nicht zu gekünstelt klinge. »Äh, Jan, weißt du, wo meine Sachen sind?«
»Die hat Tante Małgorzata bestimmt gestern Nacht noch gewaschen und in den Trockner gesteckt. Du bist aber auch ein Schussel, dass du unsere Reisetaschen einfach an der Raststätte stehenlässt …« Er guckt betont vorwurfsvoll.
»Äh … ja, wie dumm von mir. Tut mir echt leid.«
Wie sich herausstellt, sind meine Klamotten tatsächlich schon wieder sauber und sogar gebügelt! Ich ziehe mich ganz schnell an. Bloß raus hier, bevor diese Karolina weitere Fragen stellt.
»Aber heute Abend bist du wieder da, hörst du?«, befiehlt sie Jan, als wir gehen. »Wir wollen alle zusammen essen. Und danach zur S´wie˛conka in Onkelchen Bogumiłs Kirche. Deine … Bekannte ist natürlich auch herzlich eingeladen.«
Hä? Was wollen wir? Bogumił? Kirche? Ich verstehe nur Bahnhof.
»Ja, ja«, ruft Jan, und dann sehen wir zu, dass wir Land gewinnen.
Draußen auf dem Parkplatz bekomme ich einen hysterischen Lachkrampf.
»Was hast du denn?«, fragt Jan. Statt zu antworten, verschlucke ich mich, und Jan klopft mir einmal kräftig auf den Rücken.
»Deine Schwester ist ja ein ganz schöner Drachen«, keuche ich schließlich.
»Ach was, das meint sie nicht so. Im Grunde ist sie ganz in Ordnung. Sie hat halt nur gern das Kommando. Wojtek, ihr Mann, hat nicht viel zu melden.« Jan grinst.
»Was hast du deiner Tante jetzt eigentlich erzählt?«
»Dass ich dich aus Lübeck kenne. Und dass du schon immer mal nach Polen wolltest und mich deshalb für einen Kurztrip sozusagen als deinen persönlichen Reiseleiter engagiert hast. Ja, und dann hast du gestern, als wir Pause gemacht haben, unsere Reisetaschen an
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