Flitterwochen
das gar nicht Tines Kleid?«
Alter Verwalter, Karolina lässt einfach nicht locker. In Sachen Hochzeit kennt sie offenbar gar keinen Spaß.
»Doch. Aber ich habe es nur zufällig dabei. Ich will gar nicht heiraten, weil … weil … äh …«
»Du willst nicht heiraten, hast aber ein Kleid dabei. Kapiere ich nicht.« Karolina schüttelt den Kopf.
Und ich muss sagen: Ich verstehe Karolina. Warum hat man ein Brautkleid dabei, wenn man nicht heiraten will? Genau genommen gibt es dafür keine einleuchtende Erklärung. Ich spüre, wie ich unter den Blicken von Karolina, Leszek und Małgorzata puterrot werde. So kalt mir eben war, so warm wird mir jetzt. In diesem Moment scheint Jan eine zündende Idee zu haben, jedenfalls räuspert er sich, dann strahlt er Karolina an.
»Tine will nicht heiraten, sie hat schon geheiratet. In Deutschland. Und als wir losgefahren sind, war das Kleid zufälligerweise noch im Auto.«
Karolina schnappt hörbar nach Luft.
»Braciszku! Jetzt wird mir alles klar: Sie hat dich geheiratet.
Ihr
habt geheiratet. Heimlich! In Deutschland! Deswegen benehmt ihr euch auch die ganze Zeit schon so komisch. Von wegen, sie hat dich als Reiseleiter engagiert. Damit du ihr die Schönheit Polens zeigst! Und dann hat sie ihre Reisetasche an der Tankstelle stehenlassen! Ha! Hast du wirklich gedacht, auf so eine Geschichte falle ich rein? Heilige Mutter Gottes, wenn Mama das erfährt! Eine heimliche Hochzeit! Pfui, schäm dich, Jan. Wie kannst du das unserer Mutter nur antun?«
Nun ist es an Jan, nach Luft zu schnappen. »Nein, nein, so war es doch gar nicht, ich …«
Aber Karolina lässt ihn gar nicht weiter zu Wort kommen. »Und deswegen sitzt deine Frau auch hier und weint – weil du sie deiner Familie verheimlichst und so tust, als sei sie einfach nur eine Bekannte. Ich fasse es nicht! Warum hast du das bloß gemacht?«
Jan hebt beide Hände. »Reg dich jetzt bloß nicht auf, es gibt für alles eine ganz logische Erklärung!«
»Pah, spar dir weitere Lügengeschichten. Du bist in Polen, um deiner neuen Frau deine Heimat zu zeigen, und hast gedacht, wir merken alle nicht, was hier vorgeht. Der Herr Dozent hält uns wohl für dumm. Du Betrüger!«
Karolina drückt das Kreuz durch, dann dreht sie sich um und stapft davon. Leszek und Małgorzata folgen ihr. Wahrscheinlich sterben sie schon halb vor Neugier und wollen dringend übersetzt bekommen, welches große Drama sich hier gerade abspielt. Das läuft ja heute wieder mal alles ganz großartig.
Jan stöhnt und lässt den Kopf auf den Wagenholm über meinem Fenster sinken.
»Cholera jasna! Was habe ich da bloß angerichtet? Hoffentlich ruft Karolina nicht gleich meine Mutter an. Die dreht völlig durch, wenn sie das hört.«
»Aber das ist doch totaler Quatsch! Wir müssen Karolina einfach die Wahrheit erzählen, dann wird sie es schon verstehen«, sage ich.
Jan sieht ziemlich bedröppelt aus. »Vergiss es. Das glaubt sie uns nie im Leben. Dafür klingt die Geschichte mit unserer Hochzeit in ihren Ohren viel zu überzeugend.«
»Du meinst, sie glaubt eher, dass wir heimlich geheiratet haben, als dass ich aus Versehen mit Oma eine Bank überfallen habe, mein Brautkleid noch im Auto hing, weil ich eigentlich auf dem Weg zu meiner Hochzeit auf die Seychellen war, und wir dann gemeinsam einen kleinen Umweg über Kolberg nehmen mussten, um Heinzis Asche zu verstreuen?«
Jan nickt. »Exakt.«
Komisch. Verstehe ich gar nicht. Dabei ist die Geschichte doch völlig alltäglich.
11 . Kapitel
A lso«, Karolina setzt eine verschwörerische Miene auf, »nun erzähl schon! Wie habt ihr euch kennengelernt?«
Ich seufze. Offensichtlich will sie die Tatsache, dass wir beide gerade allein in Małgorzatas Küche sitzen, für ein kleines Verhör nutzen.
»Aber das haben wir dir doch schon erzählt.«
Seit Jan und ich beschlossen haben, dass es sinnlos, wenn nicht gar gefährlich ist, seiner polnischen Familie jetzt die Wahrheit zu beichten, weicht Karolina nicht mehr von meiner Seite. Verständlicherweise will meine neue Schwägerin wissen, wie ihr kleiner Bruder, der bisher immer als Luftikus der Familie gehandelt wurde, auf einmal in dermaßen feste Hände geraten konnte, und das, ohne irgendjemandem davon etwas zu sagen.
Unsere offizielle Version entspricht fast der Wahrheit: Wir haben uns über seinen Job bei Oma Strelow kennengelernt, meiner Großmutter. Nun ja, genau genommen ist Oma Strelow ja gar nicht meine Großmutter. Aber da wollen wir
Weitere Kostenlose Bücher