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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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auf eine geschmackvolle Sitzgruppe in einer Zimmerecke. Dann drückt sie auf ein Knöpfchen, das sich direkt neben ihrem Bett befindet. Ein paar Sekunden später steckt eine Art Zimmermädchen seinen Kopf zur Tür herein. »Wir hätten gerne Tee. Und etwas Gebäck, bitte«, ordert Oma. Der dienstbare Geist verschwindet, kehrt kurz darauf mit einem Servierwagen zurück und kredenzt uns das Gewünschte.
    »Wow!«, staune ich. »Ich dachte, das ist ein Altenheim und kein Fünf-Sterne-Hotel.«
    »Das ist ein Fünf-Sterne-Seniorenstift«, erklärt Oma Strelow stolz. »Und das eine sag ich euch: Hier kriegt mich keiner mehr weg, hier lass ich mich nur noch in der schwarzen Kiste raustragen!«
    Dann erzählt sie uns in aller Seelenruhe, dass sie nach Heinzis Beerdigung spontan beschlossen habe, sich noch ein wenig in Kolberg umzusehen. Und die Stadt sei ja noch genauso bezaubernd wie früher. Deshalb habe sie den Entschluss gefasst, ihren Lebensabend fortan in Kolberg zu verbringen. Sie sei bei Fräulein Agnieszka vorstellig geworden und habe sie – dank ihrer Plastiktüte – davon überzeugen können, sie aufzunehmen.
    »Na, der Inhalt der Tüte reicht wohl kaum für einen kompletten Lebensabend, auch wenn hier alles billiger ist«, rutscht es mir heraus.
    »Ich weiß, Kindchen, ich weiß. Ich bin zwar ein bisschen dement, aber nicht doof«, sagt Frau Strelow vergnügt. »Ich habe ja auch noch das Haus in Lübeck. Und das wird jetzt verkauft!«
    »Aber bevor Sie irgendetwas verkaufen, fahren Sie mit mir nach Deutschland zur Polizei und klären diesen ganzen Schlamassel auf. Das haben Sie mir versprochen!«
    »Ich geh hier nicht mehr weg!«, sagt Oma bestimmt. »Das Haus verkaufe ich sowieso über einen Makler.«
    Offenbar ein klassischer Fall von Altersstarrsinn.
    Jetzt schaltet sich Jan ein. »Gerda, erstens stehst du bei Tine im Wort, zweitens brauchst du ja wohl noch ein paar Sachen von zu Hause, die kannst du dann gleich holen. Und drittens: Was denkst du dir eigentlich, einfach so abzuhauen? Ich hab mir solche Sorgen gemacht! Dir hätte sonst was passieren können.«
    »Papperlapapp«, wischt Frau Strelow seine Einwände beiseite. »Einem echten Pommern passiert schon nichts. Der ist wie Unkraut, der vergeht nicht. Und außerdem gehe ich hier nicht mehr weg!«
    »Ich dachte immer, ein echter Pommer steht auch zu seinem Wort!«, gibt Jan zurück.
    Mir reicht’s langsam. Dieses senile, starrköpfige Biest will tatsächlich mein Leben ruinieren. Das wollen wir doch mal sehen!
    »Okay, Frau Strelow, ganz wie Sie wollen«, sage ich betont beiläufig. »Dann fahre ich jetzt nach Lübeck zurück und stelle mich der Polizei. Aber wissen Sie, was ich vorher noch mache?«
    »Was denn?«, fragt sie neugierig.
    »Vorher rufe ich Ihre Söhne an und erzähle ihnen, dass ihre arme, alte Mutter leider, leider gerade völlig durchknallt, das Familienerbe in Polen verprasst und am besten so schnell wie möglich entmündigt wird.« Ich mache eine kleine, dramatische Pause und füge gehässig hinzu: »Bye-bye, Kolberg. Adios, dolce vita.« Das passt zwar sprachlich nicht ganz zusammen, zeigt aber Wirkung.
    Frau Strelow schluckt. »Kindchen, das würden Sie mir wirklich antun?«
    »Ohne mit der Wimper zu zucken«, antworte ich mit Grabesstimme.
    Sie zögert, überlegt und schaut hilfesuchend zu Jan. Doch der hat auch ein Pokerface aufgesetzt und meint nur: »Tja, Gerda, da kann ich nichts für dich tun.«
    Das nenne ich doch mal Solidarität!
    Oma Gerda schluckt noch einmal, dann seufzt sie tief. »Kindchen, du hast gewonnen. Und ich habe ja tatsächlich versprochen, mit dir zur Polizei zu gehen. Dann lasst uns mal losfahren. Je schneller wir das hinter uns bringen, desto eher bin ich wieder zurück!«
    Bevor wir aufbrechen können, muss Frau Strelow natürlich noch Fräulein Agnieszka Bescheid geben, dass sie für ein, zwei Tage ihr Paradies verlässt. Der ist das überhaupt nicht recht – wahrscheinlich befürchtet sie, dass ihr dieser dicke, wohlhabende Fisch doch noch durch die Lappen geht. Aber Oma bleibt hart, und wir zockeln los.
    Auf dem Weg zu Tante Małgorzata erzählt Jan ihr, was in den letzten Tagen alles passiert ist, und dass Oma nicht nur bei der deutschen Polizei, sondern auch bei seiner polnischen Familie Aufklärungsarbeit leisten muss.
    »Stell dir vor, Gerda, meine Schwester denkt tatsächlich, dass Tine deine Enkelin ist und wir heimlich geheiratet haben!« Jan lacht. »Und wir konnten ihr doch nicht die

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