Flitterwochen
eine Bastelarbeit für Kinder. Sie sägen zum Beispiel ein Pferd oder einen Hund aus und malen das Holz dann an. War in meiner Kindheit sehr beliebt. Mein Vater konnte das stundenlang mit mir machen.«
»Aha. Und wieso musst du da gerade jetzt dran denken?«
»Weil es so belanglos ist. Also, ich meine, weil wir beide gerade versuchen, über etwas Harmloses, Unverfängliches zu reden. Du über Fisch – und dass du den gern magst. Dabei hatte ich das Gefühl, du wolltest eigentlich etwas anderes sagen. Tja, und da habe ich gedacht, dass ich als Nächstes ja mal mit dir über Laubsägearbeiten sprechen könnte.«
Ich riskiere einen Blick über die Schulter. Jan grinst. »Ach so. Aber ich wollte tatsächlich über Fisch mit dir sprechen.« Sein Grinsen wird breiter.
»Wirklich? Na, und mich würde tatsächlich brennend interessieren, ob du in deiner Kindheit gerne mit der Laubsäge gesägt hast.«
Jetzt müssen wir beide laut lachen. Bei mir steigert es sich sogar zu einem echten Lachanfall, der so schlimm wird, dass ich rechts ranfahre und kurz halte. Als wir uns beide wieder beruhigt haben, schüttle ich den Kopf und sehe Jan an. »Es ist schon komisch. Das mit uns, meine ich.«
Er nickt. »Das ist es. Komisch.« Schweigen. Er räuspert sich und blickt mir dann ganz ruhig in die Augen. »Aber vor allem sehr schön.«
Ungefähr eine Minute lang halte ich seinem Blick stand, dann schaue ich verlegen zu Boden, ganz so, als ob sich im Fußraum neben Gas, Bremse und Kupplung noch irgendetwas wahnsinnig Interessantes verbergen könnte.
»Ja, also, dann woll’n wir mal wieder, nicht?«
Ich fädele mich wieder in den Verkehr ein und versuche, einen möglichst lockeren und entspannten Gesichtsausdruck aufzulegen. Jan fummelt am Knopf des Uralt-Radios und findet irgendeine polnische Popwelle, deren Musikchef auch bei Radio Schleswig-Holstein arbeiten könnte – die 90 er, 2000 er und das Beste von heute. Gähn.
Für die nächste halbe Stunde meiden wir Gespräche über Fischgerichte, Laubsägearbeiten und unser Leben an sich. Als ich schließlich vor Tante Małgorzatas Platte parke, bin ich froh, aus dem Auto zu kommen. Und langsam packt mich auch die Freude darauf, schnell meine Siebensachen zusammenzuraffen und endlich wieder nach Hause zu fahren.
Wobei »schnell« natürlich relativ ist, wenn man sich von der polnischen Verwandtschaft verabschiedet: Schon im Treppenhaus riecht es sehr appetitlich, und ich werde das Gefühl nicht los, dass Tante Małgorzata etwas damit zu tun hat. Richtig getippt. Im Wohnungsflur duftet es verführerisch nach Braten, und an der Anzahl der dort abgestellten Schuhe sehe ich, dass sich ein größerer Trupp eingefunden hat, um die Frischvermählten vor der Abreise nach Deutschland ein letztes Mal zu sehen.
»Tine! Janusz!« Onkel Leszek kommt aus dem Wohnzimmer getrabt und begrüßt uns euphorisch. Ich kann zwar nicht verstehen, was er sagt, nehme aber stark an, dass er wissen will, wie es uns in Misdroy gefallen hat. Also setze ich ein strahlendes Lächeln auf und berichte.
»Hach, Misdroy war ganz toll! Ein echtes Luxushotel, das
Stella Maris,
und überhaupt ist der ganze Ort so schön!«
Jan übersetzt schnell. Leszek nickt zufrieden, Oma strahlt.
»Nicht wahr, ein ganz zauberhafter Ort ist das! Wie oft habe ich mit meinem Heinzi dort am Strand gesessen oder ein Café besucht. Ich freue mich, dass es euch so gut gefallen hat. Es ist einfach der richtige Platz für Verliebte.«
Dafür, dass Oma weiß, dass wir mitnichten verliebt sind und Leszek sie sowieso nicht versteht, trägt sie ganz schön dick auf. Oder glaubt sie diese Räuberpistole mittlerweile selbst? Egal, Hauptsache, sie ist wieder klar, wenn wir in Lübeck in der Polizeiwache stehen. Alles andere ist mir mittlerweile wumpe.
Jetzt kommen auch die anderen in den Flur, selbst Wojtek hat sich offensichtlich in der Klinik freigenommen, um seinen Schwager zu verabschieden, bevor der wieder nach Deutschland fährt.
»Na, wie fühlt an so verheiratet?«, will er von mir wissen.
»Großartig, danke! Die beste Entscheidung meines Lebens!« Wenn schon Schauspiel, dann richtig!
Das scheint auch Jans Motto zu sein, denn er nimmt mich in den Arm, drückt mich und küsst mich auf den Scheitel. Dann ruft er etwas auf Polnisch, was zur allgemeinen Erheiterung beiträgt.
»Ich habe ihnen gesagt, dass ich mich mit meiner neuen Chefin schon sehr gut verstehe.«
Sehr lustig, haha. Meine Eltern hätten wahrscheinlich auch
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