Flitterwochen
drüber gelacht, mein Vater beantwortet Fragen nach der eigenen Wochenendplanung auch immer gerne mit einem freundlichen »Muss ich erst die Chefin fragen«.
Małgorzata schaut von der Küche in den Flur: »Zapraszam teraz wszystkich do stołu! Bo obiad będzie zimny!«
Vermutlich will sie uns alle an den Esstisch scheuchen. Sehr schön, es duftet nämlich dermaßen gut, dass ich kurz davor bin, loszusabbern.
Als wir alle sitzen, bringen Małgorzata und Karolina Platten und Schüsseln aus der Küche und stellen sie auf den Tisch. Braten mit dunkler Soße, Erbsen, Möhren, Knödel – lecker! Wojtek füllt etwas in unsere Gläser, was schon wieder verdächtig nach Wodka aussieht. Offensichtlich konnte er sich von seiner Trauzeugenrolle noch nicht ganz lösen. Ich beschließe, meine Finger davon zu lassen und höchstens zu nippen, schließlich liegen noch fast vierhundert Kilometerchen vor mir, die Hälfte davon auf polnischen Landstraßen.
Karolina setzt sich neben mich. »Na, meine liebe Schwägerin? Hattet ihr eine schöne Zeit?«
Ich nicke. »Ja, es war fantastisch. Vielen Dank noch mal für das tolle Geschenk!«
Bevor ich ausführlicher schildern kann, was mir besonders gut gefallen hat, klopft Onkel Leszek mit seiner Gabel an ein Glas und räuspert sich. »Liebe Tine, du bist nun Majewska und freut uns sehr!«
Ui. Eine Rede auf Deutsch! Das muss Leszek extra einstudiert haben, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass er eigentlich kein Wort Deutsch spricht.
»Wir haben kennengelernt dich und lieben dich sehr. Janusz hat große Glück, und wir mit ihm. Wir wünschen euch lange, gute Ehe – ob in Deutschland oder Polen, egal.« Dann überlegt er kurz und zwinkert mir zu: »Aber am liebsten Polen. Hat dir gut gefallen, oder? Passt du auch gut zu uns!«
Ich bin so gerührt, dass ich mir schnell ein Tränchen aus dem Augenwinkel wischen muss. Gern würde ich jetzt auf Polnisch antworten, aber leider war ich in den letzten beiden Tagen ja mit anderen Dingen beschäftigt. Wobei – was heißt eigentlich leider … Ich merke, wie sich in meinem Hals ein Kloß bildet, denn neben Rührung spüre ich auch sehr deutlich mein schlechtes Gewissen. Diese Leute nehmen mich auf wie eine Tochter, und ich schwindele sie an. Ich beschließe, mich nur kurz zu bedanken. Ich will nicht noch mehr lügen, auch wenn das Gefühl von Freundschaft und Verbundenheit, das ich tatsächlich mittlerweile für Jans Familie empfinde, echt ist.
»Lieber Leszek, liebe Małgorzata«, erwidere ich, »vielen Dank, dass ihr mich so herzlich aufgenommen und mit mir eine so schöne Hochzeit gefeiert habt. Ja, ich finde auch, dass ich hier gut hinpasse. Wenn Jan und ich wieder in Deutschland sind, werden wir sicher sehr oft an euch denken.«
Okay, nicht besonders emotional, aber sollte die ganze Geschichte jemals rauskommen, möchte ich nicht auch noch die Frau sein, die hier eine großartige Rede gehalten hat, von der offensichtlich kein Wort stimmte. Jan übersetzt schnell, alle nicken zufrieden. Sehr schön, scheint also ausnahmsweise auch mal ohne Pathos zu gehen.
Wer es mal wieder genauer wissen will, ist natürlich Karolina. Noch bevor ich meinen ersten Knödel verspeist habe, nimmt sie mich in die Mangel.
»Sag mal, wie geht denn das jetzt weiter bei euch in Lübeck? Als was will Jan denn da arbeiten? Ich meine, Altenpfleger kann es für einen studierten Germanisten doch auf Dauer nicht sein.«
Tja, eine gute Frage, über die ich mir naturgemäß noch nie Gedanken gemacht habe.
»Ach, irgendwas werden wir schon finden«, antworte ich daher ausweichend. »Mit einem EU -Pass kann Jan in Deutschland doch alles Mögliche machen.«
Karolina zieht die Augenbrauen hoch. »Es sollte aber schon etwas sein, mit dem man auch eine Familie ernähren kann, oder? Ihr wollt doch Kinder, nicht wahr?«
»Kinder? Ja klar, irgendwann mal.«
»Irgendwann mal?« Karolina schüttelt verständnislos den Kopf. »Du bist doch schon dreißig. Wie lange wollt ihr denn noch warten?«
Paff, das sitzt.
»Na hör mal, so alt ist das nun auch wieder nicht. In Deutschland ist das ein völlig normales Alter für das erste Kind!«
Obwohl das hier genau genommen nur ein Scheingespräch ist, bin ich jetzt wirklich angefasst. Karolina tut ja geradezu so, als wären meine Eierstöcke schon so gut wie hinüber. Blöde Kuh!
Die Kuh hebt entschuldigend die Hände. »Tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten. Natürlich kann man auch später Kinder bekommen.
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