Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
Vom Netzwerk:
Schwägerin hat ihre Jungs wirklich im Griff!
    Wir passieren Misdroy, und ich schaue etwas wehmütig aus dem Fenster. Schön war’s hier mit Jan. Der Ort ist sowieso einfach zauberhaft, und ich beschließe insgeheim, für einen Wochenend-Trip noch einmal wiederzukommen. Vielleicht mit einer Freundin, denn ob ich noch einen Mann habe, weiß ich gar nicht so genau. Auch Jan hängt anscheinend seinen Gedanken nach. Jedenfalls ist er abrupt verstummt und starrt so vor sich hin. Was wohl gerade in ihm vorgeht?
    Gerda beschließt, dass jetzt nicht die Zeit ist, um Trübsal zu blasen, und stimmt fröhliche Volkslieder an. Gemeinsam versuchen wir, Jan norddeutsches Liedgut näherzubringen, und schmettern »Wir lagen vor Madagaskar«. Das klingt zwar schaurig, hebt aber die Stimmung. Bestens gelaunt erreicht unsere kleine Reisegruppe die Fähre in Swinemünde, wo wir beschließen, erst einmal ein Picknick zu machen.
    Wir machen uns über Karolinas Lunchpaket her, das nichts zu wünschen übrig lässt. Es gibt frisch gebackenes Brot, dazu die obligatorischen Würste, Käse und Kuchen. Sogar einen kleinen Flachmann hat sie in weiser Voraussicht eingepackt. Diese polnische Lebensart werde ich wirklich vermissen. Wir langen ordentlich zu, aber als Gerda nach dem Flachmann greift, schreien Jan und ich unisono: »Nein!«
    »Warum denn nicht?«, will Gerda wissen.
    »Oma, du sollst heute noch eine Aussage bei der Polizei machen und Tine entlasten. Du musst wirklich ganz, ganz klar bleiben, okay?«, erklärt Jan.
    »Ihr gönnt mir auch gar nichts«, murmelt Gerda verschnupft.
    Nach der Stärkung entern wir die Fähre und passieren nach der Überfahrt problemlos die deutsch-polnische Grenze. Oma winkt durchs Rückfenster und ruft: »Tschüss, Heinzi! Mach dir keine Sorgen, ich bin bald wieder da.« Jan und ich lächeln uns verstohlen an.
    Der Trabbi gibt noch einmal alles, was er hat. Mit aberwitzigen fünfundsiebzig Stundenkilometern preschen wir durch Meck-Pomm.
    »Tine, ras nicht so«, ermahnt mich Jan. »Erstens werden wir von der Polizei gesucht, und zweitens sehen die Dörfer irgendwie alle gleich aus. Nicht dass wir Kevins Hof verpassen! Wir müssen noch den Golf abholen.«
    Ach ja, da war doch noch was! Hoffentlich hat der Mechaniker unseres Vertrauens die Karre inzwischen wieder flottgekriegt. Ansonsten muss der Trabbi es eben bis Lübeck schaffen. Wir fahren durch einen Wald, der mir irgendwie bekannt vorkommt. Richtig, hier muss doch irgendwo das schöne
Waldschlösschen
liegen. Und genau in dem Moment, als uns das
Tabledance
-Schild verheißungsvoll entgegenblinkt, sagt Oma Gerda: »Ich muss mal.«
    Ohne viel Federlesens kurve ich die Auffahrt zur Bar hoch und parke. Schließlich sind wir mittlerweile ein eingespieltes Team.
    »Wald oder Puff?«, frage ich Gerda. Die möchte lieber auf eine richtige Toilette – wer weiß denn schon, ob die polnischen Wölfe nicht längst ihr Revier erweitert haben? Energisch klopft sie an die Tür unserer alten Herberge. Diesmal dauert es nur ein paar Sekunden, bis sie geöffnet wird und wir der uns bereits bekannten Herbergsmutter gegenüberstehen.
    Als sie uns sieht, reißt sie erschrocken die Augen auf, stößt einen gedämpften Schrei aus und zerrt uns nach drinnen. Dann schließt sie hastig die Tür und schiebt sogar einen schweren Riegel davor. Was hat die nur? Ob sie das Geld nicht gefunden hat, das ich ihr in die Küche gelegt habe?
    »Wat macht ihr denn hier? Seid ihr total bekloppt? Dat is doch jefährlich!«
    Hä? Wat?
    Konspirativ linst sie mit einem Auge durch den Tür-Spion und zischt: »Verdammt, der Wagen muss wech! Schlüssel!«
    Verdattert drücke ich ihr den Autoschlüssel in die Hand, und schon flitzt Madame wie von der Tarantel gestochen mit wehendem Negligé nach draußen, springt in den Trabbi und fährt ihn hinters Haus. Dann sprintet sie zurück zu uns und schließt schwer atmend die Tür hinter sich.
    Wir schauen sie völlig perplex an, während sie keuchend am Türrahmen lehnt.
    »Dürfte ich wohl mal Ihre Toilette benutzen?«, meldet sich Gerda schüchtern zu Wort.
    »Wat? Meine Toalettä? Ihr habt se doch nich alle!«
    »Aber ich muss mal. Dringend«, piepst Gerda verzagt.
    »Flur runter und links«, blafft die Puffmutti, stemmt die Hände in die Hüften und wendet sich Jan und mir zu. Oma Gerda macht, dass sie Land gewinnt, und verschwindet im dunklen Flur.
    »Ihr traut euch wat! Und ick komm in Teufels Küche, wenn se euch hier erwischen tun …«
    Jan

Weitere Kostenlose Bücher