Flitterwochen
Nacht, Tine. Schlaf schön«, nuschelt er noch in sein Kissen.
Das war’s, Ende der Vorstellung.
Hallo? Und jetzt? Polnische Männer sind doch echt irgendwie komisch.
18 . Kapitel
W as war das heute Nacht? Einfach ein spontanes Gefühl? Weil die Situation so war, wie sie war? Oder war es mehr? Seit einer Stunde liege ich schon wach und kann nicht mehr einschlafen. Dabei ist es erst halb fünf, der Wecker klingelt erst um neun. Aber in meinem Kopf schwirren die Gedanken durcheinander – an Schlaf ist nicht zu denken. Ich blicke neben mich. Dort liegt Jan und atmet tief und regelmäßig. Friedlich sieht er aus, wie ein kleiner Junge. Irgendwie … niedlich.
Ich bin wirklich der treue Typ. Fremdflirten ist nicht mein Ding, Fremdküssen sowieso nicht, von anderen Dingen, die mit »fremd« anfangen, gar nicht zu reden. Wieso also hatte ich vor ein paar Stunden das dringende Bedürfnis, Jan zu küssen? Ihn zu spüren? Wenn er nicht irgendwann auf die Bremse gestiegen wäre – ich weiß nicht, wie weit wir gegangen wären. Also
wir
im Sinne von
ich.
Fühle ich mich jetzt schlecht? Ich horche in mich hinein. Nein, kein Stück. Weiowei. Was sagt das denn über mich? Habe ich unterwegs nicht nur meine Traumhochzeit und mein Autochen, sondern auch noch mein Gewissen verloren? Gut, auf der Hochzeitsfeier habe ich Jan auch geküsst, aber das war etwas anderes. Denn erstens gehörte das zu einer gelungenen Inszenierung nun einmal dazu, und zweitens war ich völlig betrunken. Ich hätte vermutlich auch mit Onkelchen Bogumił geknutscht. Oder mit Małgorzata. Gestern Abend aber waren wir allein – kein Schauspiel nötig. Und ich hatte vielleicht einen kleinen Schwips. Mehr aber auch nicht. Ich wusste genau, was ich tat. Und was ich tun wollte.
Ich wälze mich unruhig hin und her. Okay, ich stecke offenbar in einer ernsten Beziehungskrise. Anders ist das alles nicht zu erklären. Klar, Jan ist süß und ein richtig guter Typ. Aber ich habe mich sicher nicht in ihn verliebt. Das kann nicht sein. Jan ist nur das Symptom der Krise, nicht ihre Ursache. Sobald ich wieder in Lübeck bin, muss ich mit Alexander sprechen. Und zwar nicht nur über den Banküberfall. Oder habe ich vielleicht gar keine Beziehung mehr und weiß es nur noch nicht? Alexander klang bei unserem letzten Telefonat nicht gerade so, als sei er mein angehender liebender Ehemann. Er klang eher wie jemand, dem ich gerade ziemlich egal bin. Ich merke, wie mir bei diesem Gedanken wieder die Tränen kommen. Wie konnte sich mein Leben nur in einer Woche so ändern?
»Hey, Tine, alles in Ordnung?«
Mit meinem Rumgewälze habe ich offenbar Jan geweckt. Jedenfalls rappelt er sich jetzt auf und guckt mich ganz verschlafen an.
»Äh, ja, klar. Ich bin nur wach geworden, weil ich so … äh … Durst habe.«
»Sicher?« Jan schaut nachdenklich. »Ich dachte, dass du vielleicht wegen unserer …«
»Ja, sicher«, schneide ich Jan schnell das Wort ab. »Willst du auch was trinken? Dann bringe ich dir ein Glas mit.«
Jan nickt.
Ich wühle mich aus dem Bett und gehe zur Minibar. Ich hoffe, Jan vergisst über einem schönen Glas Mineralwasser, was er mich eigentlich fragen wollte.
Klack, das Licht in der Minibar geht an. Wodka, Gin, Bier, Champagner. Kein Wasser, kein Saft. Na gut, dem unsachgemäßen Verdünnen von kostbarem Alkohol durch Flüssigkeiten ohne Prozente steht man hier offenbar kritisch gegenüber, und eigentlich habe ich ja auch gar keinen Durst. Unverrichteter Dinge ziehe ich von dannen und schlüpfe wieder unter die Bettdecke.
»Hey, Fräulein, ich hatte ein Wasser bestellt«, ruft Jan mit gespielter Empörung.
»Tut mir leid. Wasser ist aus. Wir haben nur noch Champagner«, informiere ich ihn pflichtschuldigst.
Er grinst. »Na dann: Champagner! Aber sofort! Sonst beschwere ich mich bei der Geschäftsleitung!«
»Aber mein Herr! Es ist noch nicht einmal fünf Uhr morgens!«
»Na und? Ich befinde mich in meinen Flitterwochen. Da passt Champagner sowieso besser. Her mit dem Zeug!«
Als ich einfach ungerührt liegen bleibe, springt Jan aus dem Bett. Harrr, nur mit Boxershorts bekleidet, sieht er schon sehr annehmbar aus. Ich konzentriere mich auf die Bettdecke und hoffe, dass Jan nur einen Spaß macht und nicht wirklich im frühen Morgengrauen eine Flasche Schampus köpfen will. In meiner momentanen Gefühlsverfassung sollte ich unbedingt darauf achten, ganz nüchtern zu bleiben. Besser, man führt mich erst gar nicht in Versuchung.
Plopp.
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