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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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hat seine Sprache wieder gefunden und unterbricht ihren Ausbruch mit einem mutigen: »Gute Frau, was ist denn passiert?«
    »Jute Frau? Ick geb dir gleich mal jute Frau, du Lümmel!« Drohend rückt sie ein Stückchen näher an Jan ran, der einen Hopser nach hinten macht und in Deckung geht. Ich beschließe, dass es an der Zeit ist, mich einzuschalten, bevor diese absurde Situation noch eskaliert.
    »Ruhe!«, brülle ich. »Was ist hier überhaupt los, verdammt noch mal?«
    »Wat los is? Die Bullen suchen euch, und dat schon seit Taagn, dat is los. Die ham mir hier die janze Bude aufn Kopp jestellt! Und Kevin ham se einkassiert, wegen Fluchthelfer und so wat!«
    »O Gott, der Ärmste!«, entfährt es mir.
    »Ach wat, er is ja schon wieder draußen. Aber mächtig Schiss hatter jehabt.«
    »Äh, können Sie uns das vielleicht noch mal in Ruhe und von vorn erzählen?«, bittet Jan.
    »Okay, Lagebesprechung!«, befiehlt die Puffmutti und marschiert voran in Richtung Küche.
    Auch Gerda stößt wieder zu uns, und wir setzen uns an den großen, schäbigen Tisch und lauschen gebannt ihrem Bericht: Einen Tag nach unserer Abfahrt schraubte Kevin gerade fröhlich pfeifend an unserem Schrott-Golf herum, als zehn Polizisten seinen Hof stürmten, ihn erst zu Boden warfen, dann Handschellen anlegten und ihn anschließend aufs nächste Revier schleppten. Kurz darauf umstellte eine Einheit des SEK das
Waldschlösschen
und forderte per Megaphon alle Anwesenden auf, doch bitte schön mit erhobenen Händen das Haus zu verlassen. Der Bitte kam man unverzüglich nach, nur ein afrikanischer Schwarzarbeiter wagte die Flucht aus dem Toilettenfenster, allerdings ohne Erfolg. Nach stundenlangen Verhören stellte man jedoch enttäuscht fest, dass weder Kevin noch die Bewohner des
Waldschlösschens
in irgendeiner Art und Weise in die Lübecker Geiselnahme verstrickt waren. Für Verwirrung sorgten außerdem die übereinstimmenden Aussagen der Beteiligten, dass Gerda Strelow nicht wirklich den Eindruck machte, sie sei entführt worden. Vielmehr hätte man geglaubt, es handele sich um einen Familienausflug mit der Oma.
    »Das ist ja ein dolles Ding«, sagt Oma Gerda, nachdem unsere Gastgeberin umständlich zum Ende ihrer Geschichte kommt.
    »Wow!«, stimmt Jan ihr zu. »Hat denn auch der Schwager von Kevin Ärger bekommen? Immerhin hat er uns den Trabbi geliehen, ohne unsere Papiere zu sehen.«
    »Nä«, sagt die Puffmutti zufrieden, »den Trabbi ham wa einfach als jestohlen jemeldet. Die Bullen müssen ja nich alles wissen.«
    Das ist wirklich ein dolles Ding, da hat Gerda völlig recht. Im Gegenzug sind nun wir dran mit Geschichtenerzählen und erklären unserer Komplizin, was es mit der angeblichen Geiselnahme tatsächlich auf sich hat. Sie nickt verständnisvoll und glaubt uns tatsächlich jedes Wort. Wahrscheinlich hat sie in ihrem bewegten Leben schon ganz andere Storys gehört und ist durch nichts mehr zu erschüttern.
    »Aber wie kommen wir denn jetzt bloß nach Lübeck?«, fragt Jan. »Der Golf ist immer noch nicht wieder fahrtüchtig, und mit dem Trabbi können wir wohl auch kaum weiterfahren, wenn der als gestohlen gemeldet wurde.«
    »Wie wär’s, wenn wir einfach von hier aus die Polizei anrufen und uns stellen?«, schlage ich vor.
    »Keine Bullen in meinem Haus«, entscheidet die Puffmutti. »Dat verschreckt die Kundschaft.« Und nach kurzem Nachdenken fügt sie hinzu: »Ich mach euch jetzt erst ma Würstchen warm. Und dann sehn wa weiter. Mir fällt schon wat ein.«
    Genau, erst mal was essen! Das halten wir alle für eine super Idee. Und so gibt es kurz darauf heiße Bockwürstchen mit Senf und dazu eiskaltes Bier. Während wir vor uns hin mümmeln, führt Madame im Hintergrund mehrere Telefongespräche.
    »So, allet klar«, sagt sie schließlich. »Mein Kumpel Dieter leiht euch ’ne Karre. Er bringt sie heute Nacht irgendwann vorbei. Und ihr sollt se dann vors
Paradise
in Lübeck stellen und den Schlüssel anner Bar abgeben.«
    »Heute Nacht erst?«, hake ich enttäuscht nach.
    »Liebelein, auf einen Tach mehr oder weniger kommt’s bei euch doch jetzt nich mehr an, oder?«
    Stimmt auch wieder. Schließlich ist es mittlerweile schon wieder früher Abend, und die Aussicht, im Dunkeln nach Lübeck zurückzufahren, finde ich nicht wirklich verlockend. Irgendwie scheint es mir besser, wenn ich meinem unausweichlichen Schicksal bei Tageslicht begegne.
    Wir beziehen also die uns bereits bekannten Zimmer und setzen uns dann noch ein

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