Flitterwochen
einen Parkplatz zu finden. Nachdem wir drei Mal um den Block gefahren sind, stelle ich das Auto einfach auf den Mitarbeiter-Parkplatz. Ein Knöllchen macht den Kohl jetzt auch nicht mehr fett.
Jan und ich nehmen Oma in unsere Mitte, haken sie fest unter und marschieren in die Höhle des Löwen. In der großen Eingangshalle herrscht emsiges Treiben. Viele vielbeschäftigte Menschen hetzen an uns vorbei.
»Entschuldigung«, wendet sich Jan an einen vorbeieilenden Mann, »könnten Sie uns sagen, wo …«
»Info-Counter da hinten«, knurrt der Typ und geht einfach weiter.
Etwas zögerlich gehen wir zur Information. Hinter dem Tresen sitzt eine Beamtin und tippt gelangweilt etwas in ihren Computer.
»Äh, hallo«, sage ich unsicher.
»Ja? Was kann ich für Sie tun?« Die Frau schaut noch nicht mal auf.
»Ich möchte gern etwas aussagen. Also, äh, vielmehr: etwas richtigstellen.«
»Ja? Und?« Die guckt mich immer noch nicht an.
»Äh, also, das ist so, eigentlich will Gerda Ihnen etwas sagen«, stottere ich.
»Was denn nun?« Jetzt blickt die Polizistin endlich auf und sieht dabei ziemlich genervt aus.
Ich fasse mir ein Herz und sage entschlossen: »Mein Name ist Tine Samstag. Ich werde wegen einer Geiselnahme gesucht. Aber das ist alles ein Missverständnis und …«
Weiter komme ich nicht, denn nun schreckt die Beamtin aus ihrer Lethargie auf, drückt unter ihrem Schreibtisch irgendeinen Knopf, springt mit einem Satz hinter ihrem Tresen hervor und zückt eine Waffe.
»Auf den Boden!«, brüllt sie uns an. »Sofort auf den Boden und Hände hinter den Kopf!«
Wie vom Donner gerührt stehen Gerda, Jan und ich da.
»Auf den Boden! SOFORT !« Die Dame klingt nun leicht hysterisch.
»Meine Liebe, dafür bin ich nun wirklich zu alt«, entgegnet Oma konsterniert.
»Sie doch nicht! Aber Sie und Sie!« Die Polizistin fuchtelt so wild mit ihrer Knarre in der Gegend rum, dass nicht klar ist, wen sie eigentlich meint. Ziemlich scharfsinnig folgern Jan und ich jedoch gleichzeitig, dass wir beide die armen Sünder sein müssen, und legen uns vorsichtshalber hin. Jetzt stürmen auch schon von allen Seiten andere bewaffnete Beamte auf uns zu, ziehen Oma aus dem Schussfeld und bilden um uns einen Ring. Zwei ganz Mutige legen Jan und mir Handschellen an und zerren uns wieder auf die Beine.
»Was denn nun?«, protestiere ich. »Runter oder hoch?«
»Schnauze!«, herrscht mich einer an.
»Ich weiß gar nicht, was Sie wollen. Ich bin doch freiwillig hier. Wenn mir mal einer zuhören würde, könnte ich Ihnen erklären …«
» SCHNAU - ZE !«
Dieses ganze Geschrei ist eindeutig zu viel für Oma Strelow. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sie nach Luft schnappt. Dann schreit sie verzweifelt: »Fritz, die Russen kommen!«
O nein, bitte nicht jetzt!
»Gerda, reiß dich zusammen«, rufe ich ihr verzweifelt zu. Dann werden Jan und ich auch schon äußerst unsanft abgeführt, und zwar jeder in eine andere Richtung.
»Geeerdaaa«, schreie ich, woraufhin mir jemand in den Rücken knufft. »Geeerdaa, sag alles, was du weißt. Und ruf Alexander an. Ich glaub, wir brauchen einen Anwalt!«
Eskortiert von drei Beamten, werde ich durch endlose Gänge geschleift, Treppen hoch und Treppen runter. Irgendwann weiß ich gar nicht mehr, in welchem Stockwerk ich mich befinde. Wir passieren eine Art Sicherheitsschleuse und landen in einem Flur mit lauter Stahltüren. Einer der Polizisten zückt einen riesigen Schlüsselbund und öffnet eine der Türen. Ach du Scheiße, das ist ja eine Zelle!
Bevor ich fragen kann, ob das wirklich nötig ist, werde ich auch schon in einen fensterlosen Raum geschubst, in dem zwei Pritschen stehen, und die Tür fällt krachend hinter mir zu. Auf einem der Betten kauert eine Frau unbestimmbaren Alters, bleich, mit strähnigen Haaren. Aus blutunterlaufenen Augen starrt sie mich an.
»Ich bin Mandy. Versuchter Totschlag«, krächzt sie, »und du?«
»Tine«, stelle ich mich vor. »Unschuldig.«
»Har, har, har!« Mandy lacht dreckig und wird dabei von einem bösen Raucherhusten geschüttelt. »Das sagen sie am Anfang alle.«
In den folgenden Stunden darf ich mir in epischer Breite Mandys Lebensgeschichte anhören. Dass sie es ja nie leicht hatte. Schon als Kind nicht. Und später erst recht nicht. Aber dass sie sich auch gar nicht beklagen möchte. Aber dass der Kalli sie angezeigt hat, das sei wirklich eine Schweinerei. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! Denn die Sache mit dem Baseballschläger
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