Flitterwochen zu dritt
Zurückhaltung gezeigt hätte, hätte ich uns beiden vielleicht viel Leid erspart.”
Der Schmerz, den Ben ihr mit dieser Bemerkung zufügte, nahm ihr den Atem. Julia drehte sich um und floh, nicht nur aus dem Zimmer, sondern auch aus dem Haus. Sie nahm ihr Portemonnaie und ihre Schlüssel, rannte zu ihrem Auto und fuhr los. Julia wusste nur eines: Sie musste jemandem ihr Herz ausschütten, jemandem, dem sie wichtig war.
Sie konnte natürlich nicht zu ihren Eltern gehen. Die waren nicht objektiv, was Ben betraf. Aber es gab jemanden, zu dem sie gehen konnte, und als hätte es gewusst, wohin sie wollte, nahm ihr Auto den Weg durch den dichten Verkehr zur Autobahn Richtung Vancouver.
5. KAPITEL
“Er hat mich aus meinem Haus vertrieben, Amma”, klagte Julia eine Stunde später unter Tränen.
“Unsinn”, sagte Felicity und ließ eine Packung Taschentücher in Julias Schoß fallen. “Du lässt dich von dieser armen Marian Dawes aus dem Haus jagen. Ich bin überrascht, Julia. Ich habe gedacht, du seist härter im Nehmen.”
Entrüstung mischte sich in Julias Leid. “Marian ist mir total egal!”
“Unsinn. Natürlich ist sie dir nicht egal, Julia. Die ganze Geschichte dreht sich um sie. Oder willst du mir etwa weismachen, dass du genauso reagieren würdest, wenn Ben keine Verbindung zu dem Baby hätte, sondern es einfach am Straßenrand ausgesetzt gefunden und mit nach Hause gebracht hätte?”
Felicitas ließ ihr Zeit nachzudenken und ging an den Schrank, in dem sie ihre Getränke aufbewahrte. Sie goss zwei Gläser Sherry ein. “Es ist Zeit, dass du aufhörst, dich selbst zu bemitleiden und dass du der Realität ins Gesicht siehst, mein Engel. Also hör auf zu weinen, das nützt sowieso nichts, und trink einen großen Schluck hiervon”, sagte sie und drückte ihr eines der beiden Gläser in die Hand. “Ich habe großes Vertrauen in die heilende Wirkung von gutem Sherry.”
Ein halbes Glas später gab Julia zu: “Du hast Recht. Es geht um Marian. Ich bin so ärgerlich, weil sie zu so einem unmöglichen Zeitpunkt mit der Geschichte herausgekommen ist und über ihr ganzes Verhalten.”
“Du bist auch sauer auf Ben, Julia. Lass uns ehrlich sein.”
“Ja, das auch. Und ich bin enttäuscht von ihm.” Julia sah ihre Großmutter nicht an. “Und ich vermute, ich räche mich dafür, indem ich das Baby nicht anerkenne.”
“Ja. Wenn du damit weitermachst, wirst du deinen Mann verlieren. Er hat dir die Gelegenheit gegeben zu gehen, und du hast dich entschieden, es nicht zu tun. Aber wenn du ihn so behandeln willst, hättest du ihm einen größeren Gefallen getan, wenn du ihn gleich verlassen hättest. Denn so wie du dich verhältst, wirst du ihn wahrscheinlich bald los sein, ob du es willst oder nicht.”
Felicity trank einen Schluck Sherry, dann fuhr sie fort: “Und eines sage ich dir: Er ist ein attraktiver Mann und hat viel zu bieten. Wenn du nicht daran interessiert bist, seine Frau zu sein, dann wird sich über kurz oder lang eine andere finden, die deinen Platz einnehmen will. Möchtest du das? Hast du dich so schnell entliebt, wie du dich verliebt hast?”
Julia sah auf den Rand ihres Sherryglases. “Ich weiß es nicht.
Ich habe mich hundertmal gefragt, wenn das alles vor der Hochzeit herausgekommen wäre, hätte ich sie dann abgesagt?
Oder hat es damit zu tun, dass Ben eine heiße Affäre mit einer verheirateten Frau hatte, die nur wenige Monate vor unserer Beziehung zu Ende gegangen ist? Oder ist es mehr, dass nun jemand anders all die Aufmerksamkeit beansprucht, die Ben mir sonst gewidmet hat?” Sie hob hilflos die Schultern. “Ich bin zu verwirrt, um das zu beantworten.”
Einige Minuten lang erwiderte Felicity nichts. Sie schien darüber nachzudenken, wie sie ihre nächste Weisheit am besten anbringen konnte. “Ben hat dich enttäuscht, Julia, das stimmt”, sagte sie schließlich. “Und ich kann mir vorstellen, dass er dir die nächsten sechzig Jahre jeden Tag die Füße küsst, wenn du ihm verzeihst. Aber nicht nur du hast deinen Stolz, und wenn man auf einem Mann herumtrampelt, kann er sehr halsstarrig werden.”
“Wenn du damit vorschlagen willst, dass ich …”
Felicity schüttelte den Kopf. “Ich will gar nichts vorschlagen.
Du allein musst wissen, wieweit du deine Ehe aufrechterhalten möchtest. Ich sage nur, du tätest gut daran, das herauszubekommen, bevor es zu spät ist. Denn wenn Ben mit seinen Kräften am Ende ist und geht, dann bezweifele ich, dass du ihn je dazu
Weitere Kostenlose Bücher