Flitterwochen zu dritt
er auch noch reizbar, sorgenvoll, erschöpft und tat sich selbst furchtbar Leid. Das war nicht gerade lustig.
Er war so müde wie noch nie in seinem Leben. Er sank auf das ungemachte Bett in seinem Schlafzimmer und barg das Gesicht in den Händen. Mist! Dem letzten Trottel wäre etwas Besseres eingefallen, als ausgerechnet auf das Zimmer im Haus Anspruch zu erheben, das ursprünglich als Kinderzimmer für die Kinder gedacht war, die sie noch nicht einmal gezeugt hatten.
Das Problem war nur, dass er in letzter Zeit auch wenig mehr als ein Trottel war. Das Baby schien nie länger als eine Stunde am Stück zu schlafen, und er, Ben, hatte sich nicht im Geringsten vorstellen können, was man alles tun musste, um ein Baby in diesem Alter dazu zu bringen, dass es nach jeder Mahlzeit ein Bäuerchen machte.
Wie konnte man sich das ständige Erbrechen erklären? Und dann ließen die blauen Flecken ihm keine Ruhe. Sie waren noch immer zu sehen und erinnerten sehr an Spuren einer harten Männerhand.
Ich muss dafür sorgen, dass er in Sicherheit ist, hatte Marian gesagt, und er glaubte nun zu wissen, warum sie von
“Sicherheit” geredet hatte.
Ben seufzte, legte sich zurück und verschränkte die Arme im Nacken. Er blickte starr an die Decke. Nun war es im Haus so ruhig, dass er fast das leise Rauschen der Wellen hören konnte, die sich am Strand unterhalb des Gartens brachen.
Als Nächstes nahm er zur Kenntnis, dass lange Schatten durch den Raum fielen und das Babyfon auf dem Nachttisch leise empörte Laute aus dem Kinderzimmer übermittelte.
Verschlafen und völlig erledigt, rappelte Ben sich auf und sah auf die Uhr. Sechs Uhr? Das Kind hatte beinah drei Stunden geschlafen! Und Julia war vor fast vier Stunden gegangen.
Wo, um alles in der Welt, steckte sie? War sie zurückgekommen, als er schlief, oder hatte sie ihn endgültig verlassen? Er bewegte vorsichtig die Schultern, um die Verspannung zu lockern, ging zum Fenster und sah hinaus. Ihr Auto war nicht zu sehen, aber das Garagentor war zu, es konnte also gut sein, dass er sie einfach nicht hatte nach Hause kommen hören.
Das Baby sprach mit sich selbst, komische kleine Geräusche waren das. Zumindest weinte es nicht. Ben entschied, dass er genügend Zeit hätte, um hinunterzugehen und, während die Milch in der Mikrowelle warm wurde, in die Garage zu sehen, ob Julias Auto da stand.
Es war nicht da. Auch auf dem Anrufbeantworter war keine Nachricht, kein Zettel in der Küche, dem er hätte entnehmen können, dass sie zurückgekommen und schon wieder fortgegangen war. Und als würde das noch nicht reichen, um ihm schlechte Laune zu bereiten, hatte er versehentlich die Zeitschaltuhr auf vier Minuten statt auf vierzig Sekunden gestellt, und die Milch kochte.
Und das Baby schrie.
Das Baby. Ben nahm eine neue Flasche Milch aus dem Kühlschrank. Er stellte sie in die Mikrowelle, versicherte sich, dass er die Zeit diesmal richtig eingestellt hatte, und stellte sich an das Fenster, das zur Garage hinausging. Julia war noch immer nicht zu sehen, aber das Baby zeigte deutlich, dass es da war. Was immer ihm auch fehlte, das Kind hatte prima Lungen!
Früher oder später muss ich für den Jungen einen Namen finden, dachte er, während er weiterhin unruhig die Straße im Blick behielt. Er konnte ihn nicht immer “Kind” oder “Kleiner”
nennen. Eigentlich hatte er mit dieser Entscheidung noch ein wenig warten wollen, bis Julia bereit wäre, mit ihm zusammen einen Namen auszusuchen. Doch ihr Verhältnis machte keinerlei Fortschritte. Sie lebten sich mit jedem Tag, der verging, weiter auseinander.
Im Kinderzimmer legte das Baby noch einige Dezibel zu.
Erstaunlich, wie viel Lärm ein solcher Dreikäsehoch machen konnte!
“Halt an dich, Kleiner”, sagte Ben leise. Er nahm die Milch, lief, zwei Stufen auf einmal nehmend, nach oben, schraubte dabei den Sauger auf und ließ einen Tropfen Milch auf sein Handgelenk fallen, um die Temperatur zu prüfen.
Das Baby hatte es irgendwie geschafft, sich so zu verdrehen, dass es mit dem Kopf an die Wand der Wiege gestoßen war. Es hatte auch gespuckt - vor allem in sein Ohr, was sicherlich außerordentliches Talent erforderte. Und die Windel - nun, die schien schier zu explodieren!
“Verflixte Sch…” Bis Ben seinen Sohn so weit sauber gemacht und ihm die Milch gegeben hatte, war eine weitere Stunde vergangen. Noch immer kein Lebenszeichen von Julia.
Ben nahm das schläfrige Baby hoch und versuchte, wie immer erfolglos, es
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