Flora Segundas magische Missgeschicke
wir lernen, damit glücklich zu sein.
Es macht Mama glücklich, wenn sie so tun kann, als ob wir eine glückliche Familie wären, also sitze ich da und ertrage aufgewärmtes Essen aus einem Restaurant und Milchkaffee. Dann fragt sie mich über die Schule aus und ich frage sie nach ihrer Arbeit, und diese Augenblicke müssen die Tatsache wettmachen, dass sie jeden Abend bis um zehn Uhr im Kriegsministerium bleibt und ich normalerweise allein essen muss.
Wenn meine Mutter aber unterwegs ist, schlafe ich bis zur allerletzten Minute und sause dann in die Sanctuary School, ohne zu frühstücken. Dafür kann ich aber auch eine halbe Stunde länger liegen bleiben.
Nun, der Butler mag verbannt sein, aber das heißt nicht, dass das Haus völlig tot ist. Von Zeit zu Zeit stöhnt es und rührt sich ein bisschen, wie ein Schlafender, dessen Körper sich bewegt, während sein Geist irgendwo anders ist. Aber es rührt sich nie so, wie man es gern hätte, so wie früher, als mitten in
der Nacht die Toilette neben dem Schlafzimmer lag, ansonsten aber sonst wo untergebracht war. Manchmal ist der lange Weg irgendwohin der kurze Weg und der kurze der lange, und manchmal gibt es gar keinen Weg.
Das passiert allerdings nicht allzu oft, denn Mama sorgt dafür, dass alles im Rahmen bleibt. Früher hat der Butler Crackpot in Ordnung gehalten, heute wird er durch Mamas Willen zur Räson gebracht. Sie hat gern die Kontrolle über alles, und für gewöhnlich klappt das auch. Aber wenn sie weg ist, lockert sich ihr Griff ein bisschen, und das wirkt sich auch auf die Treppe ins Erdgeschoss aus oder auf die Hintertür und sogar auf die Toilette. Das Haus bewegt sich nicht auf eine gute und nützliche Weise, sondern mit für alle Beteiligten schrecklich unangenehmen Folgen. Manchmal muss man sehr vorsichtig sein.
Nehmen wir zum Beispiel den Fahrstuhl. Unsere Zimmer liegen auf drei Stockwerken verteilt, und es ist eine ordentliche Wanderung, wenn man von der Küche im Erdgeschoss in mein Zimmer im zweiten Stock gelangen will. Mit dem Fahrstuhl ginge es viel schneller, aber ohne Mama dürfen wir ihn nicht benutzen. Einmal, als ich noch klein war, versuchte Poppy, mit dem Fahrstuhl in seinen Verschlag zu kommen. Mama warnte ihn, aber er war betrunken und brüllte, dass er eher in der Hölle schmoren wolle, als einen weiteren Befehl von ihr entgegenzunehmen, Generalin Fyrdraaca, Madama! Als er in den Fahrstuhl stolperte, schlugen die Eisentüren zu wie erschrockene Augenlider, und man hörte Poppy noch den ganzen Weg nach oben fluchen.
Ein paar Minuten später kehrte der Fahrstuhl leer zurück, und eine ganze Woche lang konnten wir in der Ferne Geheul und Geschrei hören, mal von hier, mal von dort, jedenfalls immer außerhalb unserer Reichweite. Irgendwann taumelte Poppy aus der Tür der Kulinarischen Köstlichkeiten, völlig zerzaust und bleich. Ohne ein Wort machte er sich an den langen Aufstieg über die Treppe des Übermuts hinauf in seinen Verschlag und ließ sich sechs Monate lang nicht mehr blicken.
Danach nahm Mama Idden und mir einen heiligen Eid ab, den Fahrstuhl nie ohne sie zu benutzen. Wenn sie dabei ist, fährt der Fahrstuhl stets, wohin er soll. Er würde es nicht wagen, etwas anderes zu tun. Aber sie misstraut ihm, wenn wir allein mit ihm sind, und so muss ich die Millionen von Stufen hoch- und runtersteigen, was wirklich harte Arbeit bedeutet, besonders mit einem voll beladenen Wäschekorb.
Damit fing alles an – mit dem Fahrstuhl.
Meine Mutter befand sich auf einer Inspektionsreise in der Kaserne von Angeles, und ich war praktisch schon extrem spät dran, als ich überhaupt erst aufwachte. Ich war bis drei Uhr morgens aufgeblieben, weil ich versucht hatte, meine dämliche Catorcena-Rede aufzusetzen – reine Zeitverschwendung, denn die Rede soll ja die Familie und die eigene Zukunft lobpreisen, und welche Hymnen kann ich schon auf meine Familie und meine Zukunft singen? Aber trotzdem hatte ich es die halbe Nacht lang versucht, und das war nun das Ergebnis: Ich hatte verschlafen.
Nachlässigkeit wird in der Sanctuary School nicht
gern gesehen. Die meisten Schülerinnen und Schüler übernachten dort, und der Grund, warum ich es nicht tue, ist, weil meine Mutter für mich eine Ausnahmegenehmigung erwirkt hat. Schließlich braucht sie jemanden, der ein Auge auf Poppy hat, wenn sie unterwegs ist. Natürlich hätte ich lieber in der Schule übernachtet, denn Poppy ist niemand, den man gerne im Auge behält. Wenn es gut
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