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Flora Segundas magische Missgeschicke

Flora Segundas magische Missgeschicke

Titel: Flora Segundas magische Missgeschicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Hauses betrachtete, hätte man glauben können, Crackpot wäre einfach nur faul.
    Aber hier wurde deutlich, dass das Haus viel schlimmer dran war. Hier gab es Risse in der Wand und der Boden unter meinen Füßen knarrte und knackte gefährlich, als ob er jeden Moment nachgeben und zerbrechen wollte. Ich würde fallen, fallen, fallen – wohin? Langsam wanderte ich durch die Dunkelheit, durchquerte ein Zimmer nach dem anderen, sah nichts als Verfall und Schmutz. Aufgetürmte Möbel und Spinnweben auf den Kerzenleuchtern. Tapeten, die sich in langen, welligen Streifen von den Wänden lösten. Parkettböden, auf denen der Staub so dick wie ein Teppich lag.
    Mancherorts hatte man eine Ahnung der früheren Pracht: Es gab eine Orangerie, obwohl die gestutzten
Orangenbäume spindeldürr und grau waren. Die Früchte waren zu staubtrockenen Hüllen ausgedörrt, die unter meinen Füßen knirschten. Die gläserne Decke über mir war schwarz vor Dreck und ließ kein Tageslicht durch, mangels dessen, so vermutete ich, die armen Bäume langsam abgestorben waren. Es gab auch einen lang gestreckten, hallenden Raum, der fast völlig von einem riesigen Schwimmbecken ausgefüllt war und dessen Decke von hohen, wie Bäume geformten Säulen getragen wurde. Das flache Ende des Beckens war leer und das blaugrüne Mosaik, mit dem es ausgelegt war, schimmerte traurig im Licht meines kalten Feuers. Am tiefen Ende war noch etwas Wasser, schwarz, schmierig und nach Fäulnis stinkend.
    Aber trotz dieser Anzeichen von Größe herrschte meistenteils ein einziges Durcheinander.
    Ein Durcheinander – keine Treppe, kein Ausweg. Waldläufer verirren sich niemals. Sie wissen immer, wo sie gerade sind, wohin sie gehen und was dazwischen liegt. Nini Mo hatte ihren Weg von Puento nach Angeles gefunden, obwohl man ihre Hände auf dem Rücken gefesselt und ihr einen Sack über den Kopf gestülpt hatte, nur durch ihren Geruchssinn – das sind eintausendfünfhundert Meilen durch eine glühende Wüste! Und deshalb war es einfach zu dämlich, dass ich nicht einmal eine Treppe oder einen Weg nach draußen finden konnte. Ich wusste zwar, dass Crackpot groß war, aber ich hatte mir nie träumen lassen, dass es so groß war.
    Ein Gedanke formte sich in meinem Kopf. Vielleicht hatte Mama mit dem Fahrstuhl ja recht gehabt. Ich erinnerte mich an Poppy und an sein Geschrei
und den angespannten Ausdruck auf Mamas Gesicht, während sie auf seine Rückkehr wartete. Erst jetzt ging mir auf, dass sie sich nicht auf die Suche nach ihm gemacht hatte …
    He! Ein Waldläufer würde niemals so denken. Ein Waldläufer muss mit äußerster Logik betrachten, wo er ist und was er tut, statt sich unheilvollen Fantasien hinzugeben. Nini Mo war nicht in Panik geraten, als sie die Hochgezogene Halstuchhorde in Nini Mo und die Rinderraspler an ein Holzscheit gebunden in die Dellenbaugh-Schlucht geworfen hatte. Mit kühlem Kopf hatte sie die Fesseln mit einem Sporn durchschnitten und ihren Rock als Fallschirm benutzt, war dann den Abhang wieder hinaufgeklettert und hatte jedem einzelnen Schurken eigenhändig den Garaus gemacht. Sie hatte überlebt, weil sie ihren Verstand benutzt hatte. Das würde ich auch tun, wenn bloß meine Hand aufhören würde zu zittern. Das kalte Feuer wurde schwächer, und diesmal hatte meine Grammatica keinen stärkenden Effekt. Jetzt erinnerte ich mich ganz deutlich an die Erste Regel der Waldläufer. Sei stets auf der Hut. Jetzt, wo es zu spät war.
    Die Zweite Regel der Waldläufer lautete: Finde heraus, wo du bist. Ich war in einen schmalen Wandschrank geraten, dessen Seiten bis über meinen Kopf mit Schubladen bestückt waren. Ich zog eine davon auf, woraufhin sich eine Wolke aus staubigem Lavendel daraus erhob. Im Inneren lagen die legendären Handtücher. Idden ist in allem ziemlich wählerisch, und in ihren Geschichten über die vergangene Pracht von Crackpot ergeht sie sich immer lang und
breit über diese wundervollen flauschigen Handtücher. Jetzt allerdings sahen sie nicht mehr so frisch und sauber aus.
    Ich ging zum Fenster und rieb mit meiner freien Hand den Dreck ab. Aber alles, was ich sehen konnte, war mein eigenes verschmiertes Spiegelbild. Wieso war es draußen dunkel? War ich schon so lange hier, dass der Tag vergangen und es bereits wieder Nacht geworden war? Dann kam ich nicht zu spät, sondern hatte den Schultag gänzlich verpasst. Ich musste hier raus, und zwar schnell.
    Die Dritte Regel der Waldläufer hieß: Prüfe deine

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