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Flora Segundas magische Missgeschicke

Flora Segundas magische Missgeschicke

Titel: Flora Segundas magische Missgeschicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Hansgen verfügte über eine honigsüße Stimme, mit einem leichten Akzent und einem melodiösen Ton. Das Licht der Laterne war so schwach, dass man kaum etwas sehen konnte. Ich nahm nur das weiße Hemd wahr und hatte darüber hinaus den Eindruck, dass er völlig verdreckt war. Und an dem Gestank gab es nichts zu rütteln. Wahrscheinlich konnte ihn die Göttin Califa noch im Himmel riechen.
    »Ich hoffe, Sie werden sich beim Warlord nicht über Ihre Rationen beschweren«, sagte Leutnant Samson flehend, der hinter Hendricks und ihrem
Gewehr Stellung bezogen hatte. »Sie haben das Gleiche bekommen wie wir alle.«
    »Das mag wohl sein, aber wahrscheinlich ist Ihr Esszimmer trockener und Ihre Mahlzeit nicht völlig durchnässt. Oder vielleicht sind Sie auch den Armeefraß gewöhnt. Ich will jetzt Wasser zum Waschen und ein sauberes Hemd.« In Boy Hansgens Stimme lag der gleiche Ton wie in dem der Generalin: Er war gewohnt, dass man ihm gehorchte. Selbst jetzt noch, da er doch ein Gefangener war.
    »Versuchen Sie keine Tricks.« Leutnant Samson ging immer noch hinter Hendricks’ Rücken in Deckung. »Wir würden Sie nur zu gern erschießen und dann dem Warlord unser Bedauern mitteilen.«
    »Mir ist im Augenblick nichts wichtiger, als endlich wieder sauber zu sein«, sagte Boy Hansgen. »Ich würde nicht im Traum daran denken, meine Verabredung mit einem Stück Seife zu verpassen. Gehen Sie vor und ich werde so brav folgen wie ein haarloser Huitzil-Schoßhund.« Die letzten Worte betonte er so, als wollte er sagen, dass er selbst nichts dergleichen war, alle anderen aber schon.
    Wieder ging es zurück durch die Ausfallpforte. Boy Hansgen schritt munter aus, als ob er auf dem Weg zu einem üppigen Bankett wäre und nicht zu einem Verhör beim Warlord und anschließend seiner Hinrichtung. Seine Sauberkeit musste ihm wirklich wichtig sein; mir geht es ebenso. Ich fühlte mich mit ihm verbunden.
    In dem warmen Wachraum standen Udo und die Schlitzerin an Leutnant Samsons Schreibtisch. Udo unterschrieb Dokumente und sagte gerade:
»Ich werde Sie dem Warlord empfehlen, Captain Honeychurch, für Ihre uneingeschränkte Unterstützung …«
    »Hier bin ich, der Mann der Stunde, der Mann eurer Träume!«, verkündete Boy Hansgen und schlug seine Handfesseln so fest zusammen, dass sie laut klapperten. Jetzt, im hellen Licht, sah ich, dass er kleiner war, als ich erwartet hatte, und auch älter. Aber das war ja nur logisch – er war immerhin Nini Mos rechte Hand gewesen und sie war seit über fünfundzwanzig Jahren tot, also musste er wohl ziemlich alt sein. In den Nini-Mo-Taschenbüchern wird er immer als junger Mann gezeichnet, mit kurzen, stachelig abstehenden Haaren und einer Bassgitarre auf dem Rücken. Von einem Bass war im Augenblick nichts zu sehen und das einstmals blonde kurze Haar war verfilzt und schimmerte silbern unter all dem Dreck. Trotzdem wirkte er immer noch ziemlich kampfeslustig.
    »Captain Honeychurch«, fuhr er fort, »gute, brave Honeychurch. Mein Herz erzittert vor Schmerz, dass ich Ihre liebevolle Fürsorge schon so bald verlassen muss.«
    Captain Honeychurch funkelte ihn an und sagte: »Ich wünschte, meine Fürsorge hätte so liebevoll sein können, wie Sie es verdienen.«
    »Du sein gut zu mich«, sagte Boy Hansgen spöttisch und die Schlitzerin warf ihm einen Blick zu, der zu sagen schien: Du bist nicht einmal einen Dolchstoß wert.
    Udo unterzeichnete das letzte Papier und warf die Schreibfeder auf den Tisch. Er musterte den Schönen
Jack mit einem arroganten Blick von oben bis unten und sagte: »Das also ist der Pirat, der unserer Stadt so viel Schaden zugefügt hat.«
    »Der bin ich und noch viel mehr. Und vielleicht fange ich gerade erst richtig an!«
    »Ich glaube, Sie sind vielmehr am Ende angelangt, nicht am Anfang.«
    »Die Hoffnung ist allmächtig, und wer weiß – vielleicht bin ich’s auch!«
    Udo sagte: »Die einzige Hoffnung, die Sie noch haben, ist ein gebrochener Hals, damit Ihnen der Kampf mit der Strangulation erspart bleibt.«
    Mach Schluss mit dem Palaver, Udo, dachte ich und versuchte, ihm meinen Gedanken telepathisch ins Hirn zu pflanzen. Lass uns hier abhauen. Aber Udo war zu sehr in den Schlagabtausch mit Boy Hansgen vertieft und schenkte mir keine Aufmerksamkeit.
    Boy sagte: »Aus Ihrem Mund hört sich eine so schreckliche Prophezeiung fast aufmunternd an, Captain Wieauchimmer. Wir wurden einander noch nicht vorgestellt.«
    »Captain Seneca Gaisford, Büro des Obersten

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