Florentinerpakt
Wilma heranschob.
»Frau Bachinger?«, fragte sie leise und wunderte sich, dass
Wilma überhaupt nicht darauf reagierte. Das zweite Frau Bachinger klang dann
schon etwas forscher und brachte Wilma zur Frage: »Meinen Sie mich?«
»Wilma?«, Gwen wollte auf Nummer sicher gehen.
»Ja, Wilma, aber Bachler, nicht Bachinger.«
»Oh, sorry«, entschlüpfte es der angehenden Dozentin der
Universität Cardiff, »ich wusste, es ist etwas mit Bach.«
Dann erzählte sie der zunächst erstaunt, dann wütend und
zuletzt zufrieden dreinblickenden Wilma die ganze Geschichte von der Bestellung
des Essens bis zum Frühstück heute Morgen.
Nun sah sich Wilma veranlasst, der sympathischen, aber ein
wenig aufdringlichen Fremden ihre Version der Geschehnisse zu erzählen, die
unter dem Eindruck des eben Gehörten in einigen wesentlichen Punkten eine etwas
andere Gewichtung gegenüber der ursprünglichen erhalten hatte.
»Und Sie haben tatsächlich bei uns übernachtet, in Tinas
Zimmer?«, vergewisserte sich Wilma abschließend und lachte. »Jetzt bin ich bloß
neugierig, wie sich Mario da wieder herausreden will. Wollen Sie mir einen
Gefallen tun?«
Gwen hörte sich erst einmal an, was Wilma dabei so
vorschwebte. Dann erklärte sie sich lachend dazu bereit, und die beiden gingen
zurück zur Giftstation der ›Caracals‹.
8
Ing. Karl Derblinger, ein Jogger, der seine frühen
Runden durch den Prater zog, hatte die Leiche kurz nach 6 Uhr in einem
Gebüsch in der Nähe des Ameisenhügels gefunden. Eigentlich war es sein Hund
gewesen, ein Schäferrüde namens ›Bennie‹, der durch sein lautes Bellen und
beharrliches Verweilen bei dem Gestrüpp in etwa sechs Metern Entfernung von der
Laufstrecke auf den schrecklichen Fund aufmerksam gemacht hatte.
Da dem Opfer, das offenbar mit einer Art Garotte stranguliert
und dabei halb enthauptet worden war, sämtliche Wertgegenstände und Ausweise
fehlten, tippte die Polizei zunächst auf Raubmord.
Da der oder die Täter den
in seiner Seitentasche befindlichen Ausweis einer Videothek in Melbourne
übersehen hatten und dieser auf einen gewissen ›Jake Fahlbichler‹ ausgestellt
war, schrillten plötzlich einige Alarmglocken bei den Beamten. War der Mann,
dem die bisher erfolglose Alarmfahndung galt, nicht Australier gewesen?
Fünf Minuten später war auch Helmut Wallner informiert, dass
die gesuchte Person tot aufgefunden worden war, zwar noch nicht positiv
identifiziert, aber mit großer Wahrscheinlichkeit.
Der Oberinspektor traf bereits 25 Minuten später an der
Fundstelle der Leiche ein.
*
Anni Enigler hatte heute gleich um 8 Uhr
in der Zentrale der ›Kreditbank Austria AG‹ antreten müssen, um dem über die
Ereignisse mit und um Direktor Hans Garber besorgten Vorstand Rede und Antwort
zu stehen.
Daher war sie auch nicht an ihrem Schreibtisch in der Filiale
Obkirchergasse, als gegen 8.45 Uhr ein Anruf der ›Alpenländischen Schaden
und Leben‹ einging, der Versicherung, bei der sowohl Garbers Haus als auch das
Leben seiner Frau versichert gewesen war.
Romana Gimpel, die Sachbearbeiterin, deren Schreibtisch dem
Frau Eniglers am nächsten stand, nahm das Gespräch entgegen. Sie war sehr
beeindruckt, dass es sich bei dem Anrufer um einen Dr. Gisbert Hartnagel
handelte, den für Schadensregulierungen zuständigen Vorstandsdirektor der
Versicherungsgesellschaft. Mit so einem hohen Tier hatte sie noch nie
gesprochen. Außer vielleicht mit dem Bischof bei ihrer Firmung. Aber das war ja
kein richtiges Gespräch gewesen.
»Eth itht oberthteth Printhip der Gethellschaft«, erläuterte
Hartnagel, »den Kunden ihr Schickthal durch rasche Thahlung thu erleichtern.
Daher will ich Herrn Direktor Garber noch heute thprechen. Damit er thein Geld
noch heuer bekommt.« Er machte eine bedeutungsschwere Pause. »Und nicht ertht
nächthteth Jahr. Dath wollen wir doch alle nicht. Altho, wo kann ich Ihren Chef
erreichen?«
Frau, der Kerl lispelte, dachte sich Romana, aber sonst
nichts weiter. »Einen Moment«, beschied sie dem Anrufer, »ich muss nachsehen,
ob ich irgendwo eine Notiz finde.« Hoffentlich war da etwas, denn sie wollte
wirklich nicht schuld daran sein, dass ihr Direktor sein Geld möglicherweise
erst mit Verspätung bekam und sie dann vielleicht sogar noch zur Verantwortung
gezogen würde.
Sie war schon nahe daran zu kapitulieren, als sie endlich
fündig wurde. In Anni Eniglers schwarz gebundenem Notizbuch lag eine kleine
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