Florentinerpakt
Nehodal.«
*
Dr. Franz und Dr. Erwin Jacomi saßen im riesigen
Büro des Seniorpartners beisammen und besprachen die bis Weihnachten noch
anliegende Arbeit. Da die Kanzlei vom 24.12. bis 7.1. geschlossen bleiben
sollte, waren vorher unbedingt noch gewisse Termine und Erledigungen zu
beachten.
»Also morgen muss ich auf diesem Kongress in Salzburg
referieren«, stellte Dr. Franz fest. »Und übermorgen haben wir noch die
Testamentseröffnung Meilbauer und diese komische ›Siebener-Tontine‹. Ich bin
schon neugierig, ob sich überhaupt noch jemand von den Berechtigten daran
erinnert.« Er schüttelte den Kopf. »So eine Schnapsidee. Aber bitte, die
Gebühren sind im Vorhinein bar erlegt worden, und damit ist es für uns ein
Vorgang wie jeder andere.«
Dr. Erich schien keiner von der gesprächigen Sorte zu sein.
Er nickte immer nur mit dem Kopf oder kratzte sich im Schritt. Meisten beides
gleichzeitig. Es sah fast so aus, als ob er still vor sich hin litt.
»Wir machen das so«, fuhr der Alte fort. »Wir warten, ob sich
jemand meldet. Falls ja, fährst du sofort zu ›Safe and Deposit‹ und holst den
Koffer aus unserem Tresor. Und dann ist die Sache ruck, zuck erledigt.« Er
funkelte seinen Neffen böse an. »Kannst du nicht endlich aufhören, dich
unentwegt an den Eiern zu kratzen?«
*
Solange Mario Palinski unter Druck stand, musste
er nicht an Wilma und das Dilemma vor zwei Abenden denken. Jetzt aber saß er
bei ›Mama Maria‹ auf eine schnelle Portion ›Pasta all arrabbiata‹ und ein Glas
Barolo und dachte über sein privates Elend nach. Er würde es nicht verkraften,
falls sein Lebensmensch die Drohung wahr machte und Weihnachten nicht mit ihm
und der Familie verbrachte.
In dieser leicht weinerlichen Stimmung ließ er sich noch ein
Dessert einreden, das ihm sicher wieder ein Kilogramm mehr auf der Waage
bescheren würde. Das war aber auch egal. Ohne Wilma war es ohnehin wurscht, ob
er 80, 90 oder 120 Kilogramm hatte. Während er das wunderbare Tiramisu in sich
hineinschaufelte, kam ihm eine Idee. Falls jemand wusste, wo sich Wilma
aufhielt und wie er sich am besten bei ihr entschuldigen konnte, dann war es
diese Ollie. Frau Kiesler, die wie eine Übermutter über ihre Mitmenschen
wachte. Ganz so wie die NSA über die Sicherheit der Vereinigten Staaten. Nur,
dass sie noch ausgereiftere Methoden dafür zur Verfügung zu haben schien.
Kurz entschlossen holte er sein Handy heraus und tippte die
Nummer von Wilmas Freundin ein.
»Ollie Kiesler«, meldete sich die freundliche, etwas hart
klingende Stimme in einem Tonfall, mit dem sich auch das Weiße Haus, der Papst
oder vielleicht auch Präsident Putin melden würde. Palinski fragte sich, woher
die Frau bloß dieses Selbstbewusstsein nahm, das einen unwillkürlich dazu
verleitete, sich als Allererstes einmal für die Störung durch den Anruf
entschuldigen zu wollen.
»Hallo Ollie, hier Mario. Ich hoffe, ich störe nicht gerade.«
»Aber nein, mein Lieber, du störst doch nie«, entgegnete sie
großzügig. »Wir sitzen nur hier zusammen und besprechen die letzten Details der
Weihnachtsfeier am Donnerstag. Du weißt schon, die für die lieben
Waisenkinder.«
»Ist Wilma vielleicht auch da?«, murmelte er fast devot.
»Wilma wer? Meinst du die Wilma Bachler, die du vorgestern
Abend tödlich beleidigt hast, weil du nicht wie versprochen für sie gekocht
hast? Nein, diese Wilma ist nicht da.«
»Aber …«, wollte er erwidern, doch die Kiesler ließ ihm
keine Chance.
»Und damit nicht genug, schleppst du auch noch fremde Weiber
in dein Büro ab, wahrscheinlich, um ihnen zu zeigen, wo der Bartl den Most
versteckt hat.« Palinski fand das Bild ein wenig missglückt, und das nicht nur
in semantischer Hinsicht.
»Was für Weiber?«, brauste er auf. »Das ist doch Unsinn. Da
waren keine Weiber, Frauen.«
»Und wer war dann die große, schlanke Schwarzhaarige, mit der
dich Wilma beim Betreten deiner Lusthöhle …«, fast schien es, als ob ihr
das Aussprechen dieses Wortes Brechreiz bereitete, »… beobachtet hat?«
Ach, das war es gewesen.
Wilma hatte Axel in seiner Maskerade gesehen und war eifersüchtig geworden. Oh
eitel Wonne, holdes Glück. Er lachte erleichtert auf.
»Das war doch keine Frau, sondern der Zahnarzt von der 2.
Stiege in Frauenkleidern.« Er schrie fast in den Hörer.
»Ein Transvestit, noch schlimmer«, entgegnete Ollie. Dann war
sie aber immerhin bereit, sich
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