Florentinerpakt
hatte ihn das sogar in den
Verdacht gebracht, irrtümlich ein junges Paar erschossen zu haben. *
Jetzt begrüßte der alte Charmeur Anni Enigler formvollendet
mit einem angedeuteten Handkuss. »Ihr jungen Frauen von heute werdet immer
schöner«, meinte er zu der Mittfünfzigerin. »Was kann ich für Sie tun, gnädige
Frau?«
Anni musste lächeln. »Sie haben mir vor vielen Jahren einmal
angeboten, mich an Sie zu wenden, falls ich ein Problem habe. Jetzt ist es so
weit.« Dann rief sie dem alten Herrn die Geschichte ihrer Bekanntschaft in der
Volksschule in Erinnerung.
»Ach, Sie sind das«, meinte Göllner, »ich erinnere mich
genau. Sie haben so große blaue Augen gehabt und so eine hübsche Frisur.« Dazu
lächelte er verschmitzt, sodass Anni zunächst nicht wusste, ob er sie damit auf
den Arm nehmen wollte oder nicht. Aber das war schließlich auch egal.
Nachdem sie ihm den Grund ihres Besuches genannt und auf ihr
mangelndes Vertrauen auf Inspektor Musch hingewiesen hatte, war Albert ganz
ernst geworden.
»Ich habe auch schon von Oberinspektor Wallners Nachfolger
gehört«, räumte er ein. »Und auch nichts Gutes. Aber so viele Fehler in einem
einzigen Fall …«, ungläubig schüttelte er den Kopf. »Ein Wahnsinn, ich
bin sehr froh, dass Sie zu mir gekommen sind.«
Dann entschuldigte er sich kurz und ging ins Nebenzimmer, um
einige Telefonate zu führen.
Etwa zehn Minuten später kehrte er zurück, setzte sich und
schenkte etwas Kaffee ein, den Frau Eiblinger, die Haushälterin, in der
Zwischenzeit serviert hatte. »Oberinspektor Wallner ist heute leider
unabkömmlich, da laufen eine Großfahndung und dazu noch eine wichtige Einvernahme
nach einer Selbstanzeige. Aber ich habe Ihnen einen Termin mit Mario Palinski
gemacht, einem Freund und wichtigen Berater der Polizei. Der wird Ihnen
weiterhelfen. Er erwartet Sie um 18 Uhr in seinem Büro. Das ist gleich
zwei Ecken weiter.« Dann schmunzelte er und meinte nur: »Bis dahin können wir
ja noch plaudern und Kaffee trinken. Oder wollen Sie lieber etwas Härteres?«
*
Gwen Masterson hatte neben allen anderen
Eigenschaften eine, die die anderen dominierte. Sie hatte ein ausgewachsenes
›Helfer-Syndrom‹ und zerbrach sich ständig den Kopf darüber, welchen Beitrag
sie heute leisten konnte, um anderen Menschen das Leben zu erleichtern.
Der letzte Abend oder besser wohl die letzte Nacht hatten ihr
ein neues Lieblingsobjekt ihrer Fürsorge beschert. Dieser Mario Palinski mit
seinen zum Teil total verkorksten Ansichten war richtig lieb. Besonders wenn er
so schuldbewusst dreinblickte. Aber auch, wenn der den ›Harten Mann‹ markieren
wollte und dabei nur unfreiwillig lächerlich wirkte. Irgendwie beneidete sie
diese Frau Wilma, die nach 24 Jahren noch immer so begehrt wurde. Warum sie
sich plötzlich so zickig zeigte, nur weil er nicht selbst gekocht hatte, war
schwer verständlich. Und eine bessere Verlegenheitslösung, als sich Essen von
den ›Fünf Ulanen‹ bringen zu lassen, war ja wohl kaum vorstellbar. Vielleicht
sollte man der Frau einmal ein wenig den Kopf zurechtrücken? Ihr sagen, wie gut
sie es mit diesem Mario getroffen hatte.
Nachdem ihr nach der letzten Vorlesung heute klar geworden
war, dass sie mit ›man‹ nur sich selbst meinen konnte, war sie auch schon
unterwegs zum Sonnbergplatz. War gar nicht so leicht zu finden für
Ortsunkundige, aber eine recht nette Gegend. Nachdem sie die Punschhütte der
›Caracals‹ entdeckt hatte, überlegte sie, welche der drei sich hinter dem
Tresen wichtigmachenden Frauen wohl Wilma sein mochte. Nach einigen Minuten
Beobachtens kam eigentlich nur eine infrage. Gwen trat zu ihr hin und fragte
sie ganz einfach: »Guten Abend, sind Sie Wilma?«
»Nein«, antwortete die Blondine, »ich bin Irma. Wilma ist für
ein paar Minuten weggegangen, sie wird aber gleich wiederkommen.« Irma blickte
sich suchend um. »Dort …«, sie deutete zu einem Stand am anderen Ende des
Marktes, »Wilma kauft gerade Weihnachtsschmuck ein, für den Christbaum.«
Das war ein gutes Zeichen, fand Gwen, denn wer kaufte schon
Weihnachtsschmuck, wenn er nicht vorhatte, an diesem Abend bei seinen Lieben zu
sein? Sie bedankte sich für die Auskunft und ging hinüber zu dem anderen Stand.
»Das macht zusammen 34 Euro 50«, meinte der dicke, ältere
Verkäufer gerade und wickelte die Glaskugeln einzeln in Seidenpapier ein.
Tolles Service, fand Gwen, während sie sich an
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