Florian auf Geisterreise
bis Fuß gespalten worden wäre.
Später konnte er das Phänomen sogar bewußt herbeiführen, vor allem, wenn er krank war; mit fortschreitender Genesung ließ die Fähigkeit nach.
(Muldoon/Carrington)
Florian hatte Herzklopfen wie nach einem 400-Meter-Lauf. „Laß die Finger davon!“ hörte er seine Tante sagen. „Mit diesen Dingen ist nicht zu spaßen! Man wird nicht Medium oder Hellseher, wie man Fliesenleger oder Zahnarzt wird. Das ist Schicksal. Mit Wollen geht da gar nichts!“
Schade. Ihm war, als ob er durstig an einer Quelle säße, aber nicht trinken dürfe. Seine Tante warnte ihn immer sehr eindringlich. Vielleicht waren all diese Unternehmungen tatsächlich mit solchen Schmerzen verbunden, wie sie dieser Sylvan hatte aushalten müssen? Oder man wurde krank davon.
Florian legte sich wieder ins Bett; das Licht ließ er brennen. Morgen würde er also zu Fuß zum Waldweiher gehen, statt zu schweben, und lauschen, statt auf der Schulter zu sitzen. Ob Astralwesen nun riechen können, wußte er immer noch nicht.
Nasenstüber vom Schicksal
Die Morgensonne hatte sich noch nicht weit genug über die Wipfel erhoben, um in die Waldlichtung hineinzuscheinen. Nur den Giebel der Pension Schicksal wärmte sie schon, daß die Tautropfen auf den Ziegeln glitzerten. In spätestens fünf Minuten würde sie das oberste Fenster erreicht haben, aus dem Florian herausgähnte. Nicht Agathe hatte ihn geweckt, sondern ein Motorengeräusch, das um diese Zeit hier völlig ungewöhnlich war.
Zwischen den Bäumen tauchte ein Wagen auf und fuhr auf den Parkplatz. Eine Frau stieg aus — die parfümierte Ziege! Sofort war Florian hellwach. Eine Idee hatte bei ihm eingeschlagen. Er zog das an, was am schnellsten geht — Trainingsanzug, Turnschuhe — und nahm die Treppe mit einem Minimum an Stufen. Der große Schlüssel des alten Türschlosses steckte immer. Er drehte ihn um, stürmte im Laufschritt hinaus, direkt ins Zentrum des Parfüms.
„Du schon wieder!“ mopste sie sich.
„Ich mache meinen Trainingslauf zum Waldweiher. Guten Morgen!“ Florian tat so, als starte er unverzüglich.
„Halt!“ rief sie. „Warte! Da muß ich auch hin.“
„Wollen Sie schwimmen? Schon so früh?“ fragte er arglos.
„Nicht doch!“ Sie lächelte sogar. „Da wird heute gefilmt! Mit internationalen Stars. Ich bin angerufen worden, an der künstlerischen Gestaltung mitzuwirken. Komm! Zeig mir den Weg. Du kannst ja dann zurücklaufen.“
„Okay.“
Florian ging mit ihr zum Parkplatz.
Wenn ich schon nicht unsichtbar herumschweben kann, ist es besser, ganz offiziell dabei zu sein! kombinierte er. So hab ich am meisten davon, und sie merkt am wenigsten, wer dahintersteckt.
Im geschlossenen Wagen erwies sich das Parfüm als Zumutung. Florian zeigte die Richtung an: „Hinter der Pension vorbei und geradaus in den Wald.“
Sein Einfall gefiel ihm immer besser. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, sein Opfer noch mehr auf den Arm zu nehmen. So ungefähr mußte man sich als Hellseher fühlen.
„Meinen Sie, ich kann da ein bißchen zuschauen, beim Film?“ fragte er scheinheilig.
„Das geht erst um neun Uhr los“, wich sie aus.
„Wenn Sie da ein Machtwort sprechen, geht es sicher“, antwortete er. „Wo Sie doch bei der künstlerischen Gestaltung mitwirken.“
Es war ein Heidenspaß, zu beobachten, wie es ihr schmeichelte, für so wichtig gehalten zu werden. Doch wieder wich sie aus. „Du langweilst dich wohl sehr hier? Nur alte Leute, keine Spielkameraden. Ich verstehe deine Eltern nicht. Dein Vater ist doch ein so besonnener Mann.“
„Darum bin ich ja da“, antwortete Florian. „Ich hab’s mir gewünscht. Mit meiner Tante ist es viel interessanter als mit einer ganzen Clique.“
„Ach“, sagte sie nur.
Lachen müßt ich, wenn überhaupt kein Film da war! dachte Florian. Aber er war da. Mit großem Wagenpark, darunter tatsächlich einige Wohnanhänger. Trotz der frühen Stunde wurde schon emsig gearbeitet. Männer bauten einen Steg, im Wasser lag ein veilchenblaues Ruderboot.
Am Ufer auf der gegenüberliegenden Seite stand ein Mädchen mit einem dicken Buch, aus dem sie dem Mann neben sich vorlas. Der nickte, machte seltsame Schritte, als gehe er neben einer unsichtbaren Person her, und deutete in alle möglichen Richtungen.
Die Fahrt in der Duftwolke war endlich zu Ende. Florian öffnete die Tür und sog frische Waldluft ein.
Frau Treitschke- Zwiebenich setzte ein Lächeln auf. Sie bewegte sich
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