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Florian auf Geisterreise

Florian auf Geisterreise

Titel: Florian auf Geisterreise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: oliver Hassencamp
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„Meine Tante kann die Zeit am selben Ort verschieben. Das ist nur ein Schritt weiter.“
    Dann tippt er sich an die Schläfe, und ich fange wieder von vorn an: „Du glaubst eben nur, was du siehst. Stell dir doch mal was vor, ohne gleich zu zweifeln! Vor den Astronauten hat man Schwerelosigkeit auch für eine Übertreibung gehalten.“
    Daß Tante Thekla, wie es bei meinem letzten Besuch passiert ist, in ihrem Stuhl sitzt als ob sie schläft, plötzlich die Augen aufschlägt und erklärt, sie sei gerade in Rio gewesen, und das in einem anderen Zeitalter, weil sie damals dort gelebt habe, in einer anderen Inkarnation, ist für mich genauso selbstverständlich wie Fernsehen und Raumfahrt für Jens.
    Trotzdem sind es zwei Welten.
    Wie hatte Tante Thekla gesagt?
    „Die Technik ist nur eine Möglichkeit. Nebenbei eine sehr umständliche. Aber es gibt Gott sei Dank noch andere! Mit dem Flugzeug zu reisen, was angeblich so praktisch sein soll, finde ich unbequem, teuer, zeitraubend und einfach vorsintflutlich primitiv. Allein dieser Düsenlärm! Und wozu der ganze Aufwand? Nur weil sich die Leute nicht von ihrem Körper trennen können! Würden sie den im Urlaub zu Hause lassen, damit er sich erholen kann, gäbe es keine Verkehrsstaus, brauchten sie keine Hotelzimmer vorzubestellen, nicht in teuren Restaurants schlecht essen, keinen Badestrand, kein Segelboot, keine Skier, keine Seilbahnen und all die teuren Ausrüstungsgegenstände. Sehr unökonomisch, sich von so vielerlei abhängig zu machen! Vor allem aber brauchten sie keine Fremdsprachen zu lernen, um nicht als dumme Touristen übers Ohr gehauen zu werden. Nicht nur, weil sie ja überhaupt nichts brauchen würden als Astralreisende, sondern weil es bei der stummen Schwingungsverständigung unter Astralen Lüge und Betrug überhaupt nicht gibt. Die werden erst durch Sprache möglich!“
    Tante Thekla hat schon recht. Wie schön wäre es, wenn ich morgen früh liegenbleiben, den Körper ausschlafen lassen — schließlich hab ich ja Ferien — und nur astral zum Waldweiher schweben könnte, um zuzuschauen, wie das mit dieser Treitschke- Zwiebenich ausgeht! Ich müßte mich nicht verstecken und lauschen und aufpassen, daß ich nicht erwischt werde, ich könnte mich frei bewegen, ganz nah ran, niemand würde mich sehen. Ich könnte mich ihr auf die Schulter setzen, ohne daß sie’s merkt. Falls ich es dort aushielte, wo sie so nach Parfüm stinkt. Oder würde ich das gar nicht merken? Können Astrale riechen?
    Hier merkte Florian, daß er nicht träumte. Er stand auf, um in dem neuen Buch über Parapsychologie nachzuschlagen. Von seinem Taschengeld hatte er’s gekauft und in den Schutzumschlag von Brehms Tierleben gesteckt. Wegen der Eltern. Beim Schein der verschnörkelten Nachttischlampe fand er unter dem Sammelbegriff „Astral“ neben allerlei vorsichtigen Erklärungen einen Bericht, den er noch nicht gelesen hatte.

    „...Bei dem 1971 verstorbenen Sylvan Muldoon begannen die Astralprojektionen bereits in ganz jungen Jahren... Eines Nachts — er war gerade zwölf Jahre alt — erwachte er und befand sich in einer völlig hilflosen Lage: unfähig zu sehen und zu hören, dennoch war er bei vollem Bewußtsein. Die Starre begann sich zu lösen, er fühlte, daß er schwebte, und plötzlich vibrierte sein ganzer Körper. Es war ihm, als ob er im Zickzack umhergerissen würde, und er verspürte einen starken Druck auf seinem Hinterkopf. Zuerst dachte er, er erlitte einen unerklärlichen Alptraum in totaler Dunkelheit. Allmählich aber kehrte seine Seh- und Hörfähigkeit wieder zurück, und da bemerkte er, daß er hoch über seinem Bett in der Luft schwebte.
    Innerhalb kurzer Zeit konnte er sich aufrichten und seinen im Bett liegenden Körper betrachten. Es gab ihn also zweimal! Einmal in der Luft und einmal im Bett! Der Bub fing an, sich für verrückt zu halten. Natürlich rannte er zu seiner Mutter und lief dabei mitten durch die Tür. Doch seine Mutter konnte ihn nicht hören, noch merkte sie, wie er an ihr zog. Er versuchte es bei allen anderen Leuten im Haus, mit dem gleichen Ergebnis. Dann fing er an zu weinen.
    Zum Glück zog ihn schließlich die Kraft hinten in seinem Nacken zurück zu seinem physischen Körper.
    Sein Astralleib nahm direkt über dem Bett eine horizontale Lage ein, senkte sich zunächst langsam, fiel dann schnell und vereinigte sich wieder mit seinem physischen Gegenbild. Dabei fühlte er einen durchdringenden Schmerz, als ob er von Kopf

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