Flossen weg
Alpha-Weibchen hinüber und gab ein Quieken von sich, das Nate trotz seiner begrenzten Fähigkeiten in der Walsprache als »Uups« verstand.
Eine halbe Stunde später warfen sie ihn in seine Wohnung, und das Alpha-Weibchen grinste breit, als es den Türknauf aus rostfreiem Stahl aus der Wand riss. Die Wand blutete noch eine Weile, dann bildete sich Schorf, und sie fing an zu heilen. Das Alpha-Weibchen war inzwischen gegangen.
Nate taumelte ins Badezimmer und betrachtete sich im Spiegel. Er hatte blutige Schnitte an Stirn und Wangen. An einem anderen Ort, in einer anderen Zeit, wäre er in die Notaufnahme gegangen und hätte sich nähen lassen. Sein Haar war blutverklebt, und er fühlte mindestens vier tiefe Dellen in seinem Skalp, wo die Zähne des Walbengels die Haut verletzt hatten. Am Hinterkopf hatte er eine dicke Beule, wo er beim Fallen am Boden aufgeschlagen war, und offenbar hatte er sich auch den Ellbogen angeschlagen, denn jedes Mal, wenn er den rechten Arm einknickte, schoss ihm ein scharfer Schmerz bis in die Fingerspitzen.
Er legte seine blutigen Kleider ab und stieg unter die Dusche. Er ignorierte die seltsamen Armaturen, die ihn sonst nachdenklich stimmten, und ließ das Wasser über seinen Körper laufen, bis Haar und Hände nicht mehr blutverkrustet waren und die Finger schon schrumplig wurden. Er trocknete sich ab, dann fiel er auf sein Bett und wünschte noch ein letztes Mal, bevor er einschlief, dass Amy bei ihm wäre, in Sicherheit, an seiner Seite.
Er schlief tief und träumte von einer Zeit, in der die Ozeane ein einziger lebender Organismus waren, der wie ein Kokon eine gewaltige Landmasse umgab. Und in seinem Traum fühlte er die Struktur jeder einzelnen Küste, als presse sie sich ihm in die Haut.
Nate erwachte in den frühen Morgenstunden, bevor es in der Grotte hell wurde. Er ging ins Wohnzimmer und saß im Dunkeln am großen, ovalen Panoramafenster mit Blick auf die Straße und den Hafen von Gooville. Dort draußen bewegten sich Umrisse in der Dunkelheit. Hin und wieder sah er, wie sich trübes Licht auf der Haut eines Walbengels spiegelte, aber vor allem hörte er am Sonarklicken und an den tiefen, trillernden Pfiffen der Walbengel-Gespräche, dass sie dort draußen waren. Nach einer Stunde des Herumsitzens in der Dunkelheit tapp te er zur Tür und versuchte sie zu öffnen. Man sah nur eine Narbe, wo der Knauf gewesen war. Die Dichtung war so fest, dass die Tür ebenso gut Teil der Wand hätte sein können. Als er versuchte, seine Finger in den Türspalt zu schieben, merkte er, dass sein Ellbogen nicht mehr so wehtat wie am Abend zuvor. Er betastete die Schnitte an seiner Stirn und fühlte, dass sich der Schorf leicht und schmerzlos abkratzen ließ, wie trockene Haut. Sofort lief er ins Badezimmer und betrachtete sich im Spiegel unter der grellgelben Biolumineszenz. Die Schnitte waren verheilt. Komplett verheilt. Er bürstete das getrocknete Blut aus seinem Haar und fand dort neue, gesunde Haut. Nicht anders war es mit den Dellen in der Kopfhaut und dem großen Horn am Hinterkopf. Er hatte nicht die kleinste Schramme mehr.
Er kehrte ins Wohnzimmer zurück, sank auf den Stuhl beim Fenster und sah, wie das Licht in der Grotte heller wurde. Draußen auf der Straße und am Hafen war alles in Bewegung, und während er sich das ansah, wurde Nate ganz übel, trotz seiner wundersamen Heilung. Dort draußen liefen nur Walbengel herum. Kein einziger Mensch war zu sehen.
Zwei Tage lang sah er keine anderen Menschen in Gooville, und als er dann seinen ganzen Mut zusammengenommen hatte und das summende, käfergeflügelte Sprechdings an der Wand benutzen wollte, wurde ihm bewusst, dass er gar keine Ahnung hatte, wie man eine Verbindung herstellte. Gegen Mittag des dritten Tages kam er zu dem Schluss, dass er raus musste. Nicht nur würde er Amy so niemals finden, er konnte auch sonst da drinnen nichts tun, und bald würde ihm auch noch das Essen ausgehen. Er sagte sich, die beste Zeit für einen Ausbruch wäre mitten am Tag, denn es schien, als wären dann am wenigsten Walbengel auf der Straße, weil so viele runter zum Wasser gingen, um zu schwimmen. Er zog lange Hosen und ein langärmeliges Hemd an, um sich zu schützen, dann versuchte er sein Glück mit dem Fenster. Er riss einen der Knochenstühle aus dem Küchenboden, wackelte erst daran herum, als wollte er einen Milchzahn lockern. Mit aller Kraft warf er den Stuhl gegen die Scheibe und machte sich für den Drei-Meter-Sprung auf die
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