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Flossen weg

Flossen weg

Titel: Flossen weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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konzentrierte sich darauf, die Nachricht zusammenzusetzen, mit der Zunge im Wundwinkel wie eine Antenne für seine Konzentration.
    Clay beugte sich über seine Schulter und beobachtete, wie die Wellen auf dem Bildschirm zusammenwuchsen. »Wie hast du das eigentlich rausgefunden? Ich meine, das sieht dir gar nicht ähnlich.«
    »Wie soll man hier wissenschaftlich arbeiten, wenn du dauernd rumjammerst wie ein Kugelfisch voll Caipirinha?«
    »Tschuldigung«, sagte Clay und nahm sich vor, dem Jungen eine Lohnerhöhung zu geben, falls die Sache wirklich funktionierte.

37
Mörderwal
     
    Nate saß noch fünf Tage allein in der Wohnung, bis sie kamen, um ihn zu holen. Es begann im Morgengrauen des sechsten Tages, als ihm auffiel, dass sich eine Gruppe von Walbengeln unten vor seinem Fenster versammelte. Seit jenem Tag, an dem er Cielle vom Plan des Colonels erzählt hatte, waren wieder Menschen auf den Straßen zu sehen gewesen, aber Gooville war noch nicht zur Normalität zurückgekehrt (wobei Normalität in Gooville ohnehin eher ungewöhnlich war). Menschen und Walbengel schienen gleichermaßen angespannt. Heute waren keine Menschen auf den Straßen, und die Walbengel stießen alle so einen schrillen Schrei aus, den er kannte, wenn auch seltsamerweise nicht aus der Stadt unter dem Meer. Diesen Jagdruf unter solchen Umständen zu hören, schickte ihm einen kalten Schauer über den Rücken.
    Er sah, wie sie sich versammelten und aneinander rieben, als wollten sie sich gegenseitig Mut zusprechen, oder wie sie in kleinen Schulen umherwanderten, als wollten sie ihre innere Unruhe abbauen, wobei jeder von ihnen mit schöner Regelmäßigkeit den Kopf hob und den Jagdruf ausstieß – mit blitzenden Zähnen und Kiefern, die wie Bärenfallen schnappten. Er wusste, dass sie kommen würden.
    Nate war angezogen und wartete bereits, als sie zur Tür hereinkamen. Vier von ihnen packten ihn, hoben ihn an Beinen und Schultern in die Höhe und trugen ihn über ihren Köpfen erst die Treppe zur Straße hinunter und dann in die Gänge. Die Menge schob sich hinter ihnen her, und ihre Rufe kamen immer öfter, ohrenbetäubend schrill in der Enge.
    Noch während sich ihm die langen Finger seiner Häscher in die Haut gruben, legte sich eine seltsame Ruhe über Nate – ein fast trancegleicher Zustand, die Gewissheit, dass alles bald überstanden wäre. Er blickte nach links und rechts. Mäuler voller Zähne knurrten ihn an, und selbst noch in dem Durcheinander hörte er gelegentlich das typische Kichern eines vergnügten Walbengels. Die wissen, wie man sich amüsiert, dachte er.
    Bald erkannte er den Gang, durch den sie liefen. In den Höhlen hallten die Rufe vieler Hunderter vom Amphitheater her. Vielleicht erwartete ihn dort die versammelte Walbengel-Bevölkerung.
    Als sie das Perlmutt-Theater betraten und die Rufe zu einem wahren Crescendo anschwollen, reckte Nate den Hals und sah zwei killerwalfarbene Weibchen, die den Colonel in der Mitte am Boden festhielten. Die Walbengel stellten Nate auf die Beine, dann zogen ihn zwei von ihnen rückwärts zu den Bänken, um gemeinsam mit den anderen zuzusehen.
    Eines der großen Weibchen, die den Colonel hielten, stieß ein langes, hohes Kreischen aus, und die Menge beruhigte sich, kam zwar nicht zum Schweigen, aber die Jagdrufe hörten auf. Der Colonel hatte seine Augen weit aufgerissen, und es hätte Nate nicht überrascht, wenn der alte Mann mit Schaum vor dem Mund zu bellen begonnen hätte. Als sich die Lage so weit beruhigte, dass man ihn hören konnte, fing er an zu brüllen. Das große Weibchen, das ihn festhielt, presste ihm eine Hand auf den Mund. Nate sah, dass der Colonel um Atem rang, und aus Mitgefühl fing er selbst an, sich zu wehren. Dann begann das Weibchen zu sprechen, in seiner pfeifenden, klickenden Sprache, und die Menge hörte auf zu kichern. Unzählige Augen wölbten sich hervor, und sie wandten die Köpfe zur Seite, damit sie besser hören konnten.
    Nate verstand nicht viel von dem, was sie sagte, aber man musste die Sprache nicht kennen, um sie zu verstehen. Sie listete die Verbrechen des Colonels auf und verkündete das Urteil. Es war schon interessant, dass die Walbengel, die für Recht und Ordnung sorgten, ausgerechnet wie Killerwale gefärbt waren, die intelligentesten, organisiertesten, wunderbarsten und grausamsten aller Meeressäuger. Das – neben dem Menschen – einzige Tier, das sowohl Grausamkeit als auch Gnade an den Tag legen konnte, denn das eine war nicht ohne

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