Flossen weg
wiedererkennen.«
Nate merkte, wie sein Gesicht vor Schreck ganz taub wurde.
»Elizabeth –«
»Ruf mich an, wenn du irgendwas brauchst, Nathan. Grüß mir Clay. Aloha.«
Nathan Quinn ließ den Hörer aus der Hand gleiten, dann stolperte er wie ein Zombie aus dem Büro in seine Hütte, wo er den Entschluss fasste, ein kleines Nickerchen zu machen und liegen zu bleiben, bis er aufwachen würde und die Welt nicht mehr so entnervend undurchschaubar wäre.
Am Rande eines Traums, in dem er vergnügt eine Zwanzig-Meter-Jacht die Second Street in Seattle entlangsteuerte und dabei langsamere Fahrzeuge beiseite spülte, während Amy im silbernen Bikini und ungewohnt sonnengebräunt am Bug stand und den Menschen zuwinkte, die an den Fenstern ihrer Büros im ersten Stock die Freiheit und Macht des Mighty Quinn bestaunten – am Rande eines Traums, der nicht schöner hätte sein können, platzte Clay herein.
»Kona zieht in Hütte Sechs ein.«
»Wirf ein paar Leinen ins Wasser, Amy«, sagte Nate, den Morpheus’ Arme immer noch umschlungen hielten. »Wir kommen gleich zum Pike’s Place Market, und da gibt’s Fisch.«
Clay wartete, lächelte nicht wirklich, aber auch nicht unwirklich, während sich Nate aufsetzte und den Schlaf aus seinen Augen rieb. »Du fährst mit einem Boot auf der Straße?«, sagte Clay nickend. Alle Skipper hatten diesen Traum.
»Seattle«, erklärte Nate. »Das Zodiac wohnt in Hütte Sechs.«
»Wir haben unser Schlauchboot seit zehn Jahren nicht mehr benutzt. Es verliert Luft.« Clay trat in den Schrank, der als Raumteiler zwischen Wohn- und Schlafbereich und Küche diente. Er nahm einen Stapel Bettwäsche und dann ein paar Handtücher.
»Du würdest nicht glauben, wie sie diesen Jungen untergebracht hatten, Nate. Es war so eine Blechbaracke draußen beim Flughafen. Zwanzig, dreißig Leute in kleinen Ställen mit Feldbetten. Die haben nicht mal genug Platz, sich umzudrehen, ohne mit den Ellbogen irgendwo anzustoßen. Die elektrischen Leitungen waren ganz normale Verlängerungskabel, die oben über den Ställen entlangliefen. Für sechshundert Dollar im Monat.«
Nate zuckte mit den Schultern. »Und? Wir haben in den ersten paar Jahren auch so gelebt. So macht man das. Es könnte sein, dass wir die Hütte Nummer Sechs noch brauchen. Als Lager oder so.«
»Nein«, sagte Clay. »Diese Blechbaracke war eine Sauna und außerdem brandgefährdet. Da wird er nicht wohnen. Er ist einer von uns.«
»Aber Clay, er ist doch erst seit gestern hier. Außerdem ist er wahrscheinlich kriminell.«
»Er ist einer von uns«, wiederholte Clay, und das war ’s dann. In Fragen der Loyalität hatte Clay sehr konkrete Vorstellungen. Wenn Clay beschlossen hatte, dass Kona einer von ihnen war, dann war er einer von ihnen.
»Okay«, sagte Nate und fühlte sich, als sollte die Medusa bei ihnen einziehen. »Die Komische Alte hat angerufen.«
»Wie geht’s ihr?«
»Noch immer durchgeknallt.«
»Und du?«
»Auf bestem Wege.«
7
Schützt Mich! Schützt Mich! Rief der Buckelwal.
Wenn Besucher zum ersten Mal in die »Hawaiian Islands Humpback Whale«-Schutzstation kommen – fünf babyblaue Holzhäuser, abgesetzt in Kobaltblau, direkt an der gewaltigen Maalaea Bay, mit Blick auf die Ruinen eines alten Salzwasser-Fischteiches –, ist die erste Reaktion meist: »Hey, das ist ja keine besonders tolle Schutzstation. Da kriegt man ja vielleicht gerade mal drei Wale unter, wenn’s hochkommt.« Bald allerdings merken sie dann, dass es sich bei diesen Gebäuden nur um Büros und ein Besucherzentrum handelt. Das eigentliche Schutzgebiet umfasst die Kanäle, die von Molokai zur großen Insel Hawaii führen, die Gewässer zwischen Maui, Lanai und Kahoolawe und dazu die Nordküsten von Oahu und Kauai, wo es reichlich Platz für einen ganzen Haufen Wale gibt, was auch der Grund sein dürfte, wieso man sie dort hält.
Etwa hundert Leute standen draußen vor dem Vortragssaal herum, als Nate und Amy mit dem Pick-up auf den Parkplatz einbogen.
»Scheint gut besucht zu sein, oder?«, sagte Amy. Sie war erst einmal bei einem der wöchentlichen Vorträge in der Schutzstation gewesen, und den hatte Gilbert Box gehalten, ein mürrischer Biologe, der mit Unterstützung der Internationalen Walfangkommission forschte und Grafiken und Zahlen herunterratterte, bis die zehn Anwesenden am liebsten eigenhändig einen Wal geschlachtet hätten, nur um ihm das Maul zu stopfen.
»Guter Durchschnitt. Verhaltensforschung zieht immer mehr als
Weitere Kostenlose Bücher