Flossen weg
allein verbringen wollte, lief man hin und wieder in einen gemütlichen, wenn auch etwas verlotterten Hafen ein. Die Rastlosigkeit der Arbeit vertrieb manch eine Frau aus dieser Forschung. Andererseits gab sich Nate alle Mühe, die männliche Seite der Balance zu sichern, indem er eine Walforscherin heiratete, da nur jemand, der genauso besessen, rastlos und eindimensional war, in der Lage wäre, diese Qualitäten in seinem Partner würdigen zu können. Diese Argumentation kündete natürlich von einem Sieg der Romantik über die Vernunft, der Ironie über den klaren Geist und der reinen Dummheit über den gesunden Menschenverstand. Mit einer Wissenschaftlerin verheiratet zu sein, hatte Nate lediglich die Frage erspart, woran er gerade dachte, wenn er sich im Bett postkoital an sein Weib schmiegte. Sie wusste, was er dachte, weil sie beide an das Gleiche dachten: Wale.
Sie waren beide schlank und blond und wettergegerbt, und eines Abends, als sie Ausrüstung an Land schleppten, zog Libby den Reißverschluss an ihrem Rettungsanzug auf und knotete die Ärmel um ihre Taille, um sich freier bewegen zu können. Nate sagte: »Das steht dir richtig gut.«
Niemand, absolut niemand, sieht in einem Rettungsanzug gut aus (es sei denn, man steht auf orange phosphoreszierende Marshmallow-Männchen), aber Libby machte sich nicht mal die Mühe, die Augen zu verdrehen. »In meiner Hütte gibt es Wodka und eine Dusche«, sagte sie.
»Ich hab auch eine Dusche in meiner Hütte«, erwiderte Nate.
Libby schüttelte nur den Kopf und stapfte den Pfad hinauf. Über die Schulter hinweg rief sie: »In fünf Minuten steht unter meiner Dusche eine nackte Frau. Unter deiner auch?«
»Oh«, sagte Nate.
Noch immer waren sie beide schlank, nur nicht mehr blond. Nate war komplett ergraut und Libby auf dem besten Weg dorthin. Sie lächelte, als sie ihn kommen sah. »Wir haben von eurem Einbruch gehört, Nate. Ich wollte dich anrufen.«
»Schon okay«, sagte er. »Da kann man nicht viel machen.«
»Meinst du«, sagte Amy. Sie wippte auf den Fußballen, als würde sie jeden Augenblick explodieren oder durch den Saal tigern.
»Ich glaube, das hier könnte den Verlust möglicherweise lindern«, erklärte Libby. Sie holte den Rucksack von ihrer Schulter, langte hinein und holte eine Hand voll CDs in Papphüllen hervor. »Wetten, die hattest du schon vergessen? Du hast sie uns letztes Jahr geliehen, damit wir uns die soziale Kommunikation im Hintergrund rauskopieren können.«
»Es sind sämtliche Aufnahmen von Walgesängen aus den letzten zehn Jahren«, sagte Amy. »Ist das nicht toll?«
Nate fühlte sich, als müsste er gleich in Ohnmacht fallen. Erst ging die Arbeit der letzten zehn Jahre verloren, und kaum hatte er sich mit dem Verlust abgefunden, da bekam er alles zurück. Er legte eine Hand auf Libbys Schulter, um sich abzustützen. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich dachte, du hättest sie mir längst zurückgegeben.«
»Wir haben Kopien angefertigt.« Margaret trat näher an Quinn heran und stellte so einen Fuß zwischen ihn und seine Ex-Frau. »Du hast gesagt, es sei okay. Wir haben sie nur benutzt, um sie mit unseren eigenen Aufnahmen abzugleichen.«
»Ist auch okay«, erwiderte Nate. Fast hätte er ihr auf die Schulter geklopft, aber als er sich in ihre Richtung bewegte, zuckte sie zurück, und er ließ die Hand sinken. »Danke, Margaret.«
Margaret hatte sich mittlerweile zwischen Nate und Libby geschoben, machte sich selbst zur Barrikade (ein Verhalten, das sie offenbar aus ihren Kuh/Kalb-Studien übernommen hatte, denn eine Buckelwalmutter machte es nicht anders, wenn sich ihrem Kalb Boote oder verliebte Bullen näherten).
Amy riss Libby den Stapel CDs aus der Hand. »Die sollte ich mir schnell mal ansehen. Vielleicht finde ich ein paar passende Aufnahmen, mit denen wir die Dias untermalen können, wenn ich mich beeile.«
»Ich komme mit«, sagte Margaret, wobei sie Amy musterte. »Meine Schrift lässt zu wünschen übrig. Möglich, dass du die Katalognummern nicht entziffern kannst.«
Und schon waren sie auf dem Weg zum Projektor, während Nate bei Libby stehen blieb und sich fragte, was genau hier eigentlich vor sich ging.
»Sie hat wirklich einen bemerkenswerten Hintern, Nate«, sagte Libby, während sie Amy hinterhersah.
»Jep«, sagte Nate, um diesem Gespräch zu entgehen. »Sie ist auch ziemlich aufgeweckt.«
Irgendwann in der letzten Woche hatte eine leise Stimme in seinem Kopf gefragt: Kann es noch
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