Fluch der 100 Pforten
Geschichte«, antwortete Caleb. »Und ich will sie auch gar nicht kennen. Aber man weiß, dass eine Fehde zwischen ihnen herrschte. Eli war der ältere Bruder und Magdalene seine sechs Jahre jüngere Schwester. In grauer Vorzeit waren es Könige, die FitzFaeren regierten.«
Das Pferd trabte schneller.
»Diese Könige versuchten unablässig ihr Reich zu vergrößern«, fuhr Caleb fort. »Sie zogen sogar gegen Hylfing und einige Hochburgen der Faeren. Dabei haben sie hohe Verluste gemacht, sowohl an Gütern wie auch an Personen. Und nach dem Eroberungswahn von drei Königen, die allesamt im Feld starben, erbte eine Frau den Thron. Unter ihrer Herrschaft kam das geschundene FitzFaeren zur Ruhe und es entwickelte sich zu einer gewissen Größe. Seine Künstler und Baumeister, seine Dichter und Musiker galten für viele Länder im Umkreis als die Größten. Die FitzFaeren zogen zwar weiterhin in den Krieg, aber niemals als Angreifer, und sie fanden Frieden mit ihren Nachbarn. Ein paar Abenteurer durchreisten die Schatten der Welten und brachten Talismane und Heiligtümer mit, zwölf an der Zahl. Und um ihre Macht herum errichteten sie die Festung FitzFaeren, die sie gegen jede Art von Feind schützte. Als sie alt war, ernannte die Königin ihre Tochter zu ihrer Nachfolgerin und verlieh ihren Söhnen die Herzogswürde. Und so blieb es 300 Jahre lang.«
»Und damit war Eli nicht einverstanden?«, erkundigte sich Henrietta.
»Als seine Mutter, die Königin, starb, war seine Schwester noch recht klein, eigentlich noch ein Kind. Dennoch wurde sie von den einflussreichen Familien ihm vorgezogen. Für diese Familien zählte nicht, dass er friedfertig war und außerdem ein großer Bildhauer und Gelehrter. In der Woche, in der seine Schwester gekrönt werden sollte, verschwanden drei der wichtigsten Talismane. Und am Abend der Krönung fielen die Hexenhunde von Endor über FitzFaeren her. Dies
war Endors letzte Eroberung. Und die Leute sagen, dass Eli sie herbeigeführt habe.«
»Stimmt das denn?«, fragte Henrietta.
»Als er nach Hylfing kam, nahmen wir ihn auf, zusammen mit ein paar Überbleibseln der Bibliothek, die er aus dem zerstörten Schloss geborgen hatte. Aber dann stellte sich heraus, dass er auch dunklere Schriften sammelte, anhand derer er sich intensiv mit der Macht Endors befasste − der Kraft der Dämonen, die weder Mensch noch Elf sind. Er behauptete, dass er sie nur studierte, um seinen Feind besser zu kennen. Aber dieser Feind war nun bereits besiegt und plötzlich fehlten einige dieser Bücher. Er hatte sie einem Menschen gegeben, angeblich ein Wanderer. Mein Bruder Francis, dein Vater, folgte diesem Mann und kehrte nie mehr zurück.«
Ein paar Regentropfen fielen auf Henriettas Stirn. Sie wischte sie mit dem Ärmel ab.
»Daher glaube auch ich«, fuhr Caleb fort, »dass Eli die FitzFaeren verraten hat. Wenn nicht durch vorsätzliche Arglist, so zumindest durch Dummheit und Selbsttäuschung.«
Henrietta hatte schrecklichen Durst. Sie streckte die Zunge heraus und hoffte, ein paar Regentropfen aufzufangen. Es fielen aber keine mehr. »Magdalene sagte, dass er die Sachen meinem Großvater gegeben hat.«
»Ja.«
»Das heißt: Mein Großvater war ein schlechter Mensch.«
»Zumindest war er nicht besonders schlau«, stimmte Caleb zu. »Und mehr wahrscheinlich nicht. Es gibt viele Leute, die sich mit Dingen beschäftigen, die jenseits ihrer Kraft und ihrer Fähigkeiten liegen. Vielleicht beginnt man so etwas aus
Dummheit. Aber dann muss man es schnell und klug wieder einstellen, oder das Ganze geht schlecht aus und endet böse. Das Verlangen, etwas zu berühren, was wir nicht berühren sollen, ist so alt wie die Welt. Und es ist die Wurzel all ihrer Übel.«
Henrietta dachte einen Moment nach. Sie überlegte, dass sie ganz anders war als ihr Großvater. Oder vielleicht auch nicht.
»Was waren es denn für Dinge, die Eli weggegeben hat?«, wollte sie wissen.
Caleb seufzte. Das Pferd trabte um eine Biegung. Sie kamen in ein Wäldchen aus kleinen Bäumen. Für einen Moment wurde der Regen wieder stärker, sodass die trockenen Blätter raschelten.
»Ein Stein, ein Schwertgriff und ein Pfeil.«
»Ein Pfeil?«
»Ein Pfeil mit den Federn eines treulosen Seraphims«, sagte Caleb. »Die Spitze aus einem Splitter der Gesetzestafeln, von Gottes eigenem Atem angehaucht, und in die Gabelung vom Stab des großen Moses gefügt. Vor aller Zeit flog er als Königsmörder über das alte Schlachtfeld von
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