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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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stehen. Vor ihm ragte die Spitze eines großen Felsbrockens auf. Dann duckte er sich und war nicht mehr zu sehen. Henrietta folgte ihm so schnell sie konnte.
    Die Wölfin war ein großes schönes Tier mit gleichmäßig dunkelgrauem Fell. Sie lag auf dem Boden und hatte ihren Kopf an den Felsbrocken gelehnt. Sie war erschöpft, ihre Zunge hing schlaff aus dem Maul. Hinter ihr lagen drei Welpen.
Alle tot. Einer war gefressen worden. Die Wölfin richtete ihre gelben Augen auf Caleb. Henrietta sah ihren Onkel den Bogen ablegen und vor dem großen Tier in die Hocke gehen. Die Wölfin zog die Lefzen zurück und gab ein kaum hörbares Knurren von sich. Henrietta hielt den Atem an, während Caleb flüsternd auf die Wölfin einredete. Sie hörte auf zu knurren. Dann kniete er sich vor sie.
    Henrietta stieß die Luft aus und biss sich auf die Lippe. Caleb kraulte der Wölfin den Kopf. Langsam schob er sich um sie herum, sodass er sich an den Felsbrocken lehnen konnte. Die Wölfin lag jetzt mit gestreckten Läufen auf der Seite, den Kopf in Calebs Schoß. Die Zunge hing ihr noch immer aus dem Maul und ihre Augen waren jetzt geschlossen. Aber sie war nicht tot. Henrietta hörte sie atmen. Den Hals der Wölfin unablässig streichelnd, blickte Caleb zu Henrietta. Er sagte nichts. Nun beugte er sich vor und flüsterte der Wölfin etwas ins Ohr.
    Henrietta schwieg. Sie hatte das Gefühl, dass Caleb es nicht gut fände, wenn sie etwas sagte. Sie trat also nur ein wenig näher und wartete dann, ob Caleb etwas dagegen hatte. Dem war aber nicht so, daher näherte sie sich noch ein bisschen. Die Wölfin schlug die Augen auf und ihr Körper spannte sich, verkrampfte sich geradezu, als sie aufzustehen versuchte. Henrietta blieb auf der Stelle stehen und Caleb flüsterte der Wölfin wieder etwas ins Ohr. Der große dunkelgraue Körper entspannte sich und Caleb nickte Henrietta zu. Sie ging in die Knie und streckte ihre Hand aus, um die Wölfin an der Schulter zu berühren. Die gelben Augen öffneten sich und sahen sie an. Doch abgesehen von dem sanften Heben und Senken
des Brustkorbs blieb der Körper reglos. Henrietta ließ ihre Hand über den Hals und den Kopf der Wölfin gleiten und kraulte sie sanft hinter den Ohren. Dann wurde sie etwas mutiger und fuhr mit der Hand über die Läufe der Wölfin, fühlte ihre schlanken Knochen und streichelte ihre Fußsohlen.
    Als Caleb ihr bedeutete, dass sie wieder aufstehen sollte, tat es ihr leid.
    »Wir müssen gehen«, sagte er. Seine Stimme war nicht lauter als sonst, aber sie wirkte wie ein Schrei.
    Henrietta stand auf, strich sich die Haare hinter die Ohren und warf einen Blick auf die toten Welpen, während Caleb sich unter der Wölfin hervorarbeitete. Er legte ihren Kopf auf den Boden, streichelte ihren Körper zweimal von oben bis unten und legte dann eine Hand auf ihren Kopf und eine auf ihre Rippen.
    »Geh«, sagte er leise, und Henrietta konnte beobachten, wie sich der Brustkorb der Wölfin zu einem langen, tiefen Atemzug weitete und weitete und dann herabsank. Sie atmete nicht mehr.
    Henrietta versuchte nicht zu weinen.
    Eli saß schon wieder auf seinem Pferd und die anderen Reiter standen um ihn herum. Caleb schwang sich ebenfalls in den Sattel, packte Henrietta und zog sie vor sich auf das Pferd hinauf.
    »Eli«, sagte er. »Du bist ein Lügner, ein Feigling und ein Dieb. Du denkst, du müsstest dich nach niemand richten und hältst dich in deiner Eigenliebe für vogelfrei.«
    Eli wurde rot. »Ich habe keinerlei Liebe für mich.«
    »Selbsthass und Eigenliebe sind oft das Gleiche. Mag sein,
dass du deine schmächtige Hülle hasst. Aber du würdest bis zum Äußersten gehen und alles und jeden betrügen, um sie zu erhalten.«
    Henrietta schrak zusammen. Sie sah, wie sich Elis Gesicht verdüsterte und dann vor Wut weiß wurde. Er öffnete den Mund, aber bevor er etwas sagen konnte, hob Caleb die Hand.
    »Schwöre Hylfing Gefolgschaft!«, sagte er. »Eli FitzFaeren, stell dich in einen anderen Dienst als den deines törichten Selbst.«
    »Ich … ich weiß nicht«, stammelte Eli.
    »Das war keine Frage.« Calebs Stimme war beinhart. Henrietta bekam es mit der Angst, dabei konnte sie noch nicht mal sein Gesicht sehen. »Wenn du dich weigerst, spieße ich dich an den nächsten Baum. Dein Diebstahl hätte unter meinen Männern noch ein Leben kosten können! Denn du hast das plötzliche Aufkommen der Gefahr gespürt und uns nicht gewarnt … drei weitere Leben gehen schon auf deine Rechnung.

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