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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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lange über die römischen Ziffern klicken, bis er auf IX stand. Sie überprüfte die Kombination noch einmal und glitt dann vom Bett herunter. Sie nahm die beiden Briefe und schob sie, zusammen mit den Notizbüchern, unter Henrys Kissen. Dann drehte sie sich herum und lief die Dachbodentreppe hinunter.
    Auf dem Flur blieb sie stehen und lauschte. Unten hörte sie Penny reden – Anastasia allerdings nicht. Sie warf einen Blick in das Zimmer, das sie sich mit ihren Schwestern teilte, und als sie sicher sein konnte, dass Anastasia entweder unten sein musste oder draußen, ging sie zu Großvaters Zimmertür.
    Obwohl ihr Vater bei dem Versuch, die Tür zu öffnen, deren Oberfläche ziemlich zerschreddert hatte, erschien sie so undurchdringlich wie eh und je. Henrietta ignorierte das Zittern ihrer Hand und steckte den Schlüssel in das kleine Loch im Holz. Sie drehte ihn herum und lautlos schwang die Tür auf. Henrietta trat ins Zimmer, steckte den Schlüssel zurück in ihre Tasche und schloss die Tür hinter sich.

    Sie schluckte krampfhaft. Als sie sich das letzte Mal in diesem Zimmer aufgehalten hatte, hatten ihre Eltern bewusstlos auf dem Boden gelegen. Ein Fleck, der dunkel wie Öl war, markierte die Stelle, an der ihr Vater fast verblutet wäre. Das Zimmer war still und staubig. Bücher lagen auf dem Boden herum, genau dort, wo sie hingefallen waren, als sie allein durch die Pforte geschlüpft war, und ein Stück Seil lugte unter dem Bett hervor. In der Wand neben dem Bücherregal befand sich eine einfache Schranktür. Sie stand halb offen und war groß genug, um hineinzuschlüpfen.
    Bevor sie es sich anders überlegen konnte, ging Henrietta auf die Knie und kroch hinein. Im Inneren des Schranks war es dunkel und still, und ihr Atem schmeckte nach Staub. Sie schob sich ein kleines Stück voran und wartete ab.
     
    Ein heftiger Gestank schlug ihr entgegen; der Gestank von Kloake und erhitztem Salzwasser, von brennendem Holz, Teer und Fleisch. Stimmen folgten, Schreien und Rufen, Kommandos und Flüche. Zersplitterndes Holz.
    Sie merkte, dass der Boden unter ihr schwankte, und ihre Hand ertastete die Innenseite einer kleinen Tür. Sie drückte dagegen und die Tür ging auf. Goldene Hitze schlug ihr ins Gesicht, während ihr Blick über Hunderte von Männern glitt, die auf dem Deck eines stampfenden Schiffes umherliefen. Einige waren mit Schwertern und Bogen bewaffnet. Andere waren bis auf ein paar Leintücher nackt, von Blut und Schweiß überströmt und wimmelten um Katapulte aus riesigen Baumstämmen herum. Während Henrietta schreckstarr die Szene beobachtete, zischte ein Hagel von Pfeilen durch die Menge
der Männer. Ein Schlag wie von einem unterirdischen Donner ließ das Schiff erzittern, und das Deck hob und senkte sich. Eine riesige Galeere, gespickt mit Ruderblättern und doppelt so hoch wie das vor Henrietta liegende Deck, bahnte sich ihren Weg über das Vorschiff, legte den kleineren Gegner zuerst auf die Seite und drückte dann seinen Bug unter Wasser. Das Schiff tauchte unter und wurde gleichzeitig durch die Kraft der Galeere vorangeschoben. Henrietta spürte einen Stoß und glitt mit Kopf und Schultern aus der kleinen Tür heraus. Sie spreizte die Beine und stemmte sich mit den Armen gegen die Wände des Fachs. Sie spürte, wie sich das Schiffsdeck unter ihr krümmte, und sie hörte das Ächzen riesiger Baumstämme, die bis zum Bersten gebogen wurden. Irgendwie musste sie sich zurückhangeln, irgendwie rückwärts die zunehmende Schräge hinaufkriechen. Zurück nach Kansas. Zurück ins Jetzt.
    Ein Mann, auf dessen Haut Blut glänzte, landete mit dem Gesicht nach unten vor ihr. Aus seinem Nacken ragte ein abgebrochener Pfeil. Als er zu rutschen begann, versuchte er am Deck Halt zu finden, und seine Finger glitten mit einem Kratzen über Henriettas Gesicht. Dann, mit der letzten Kraft des Sterbenden, bekam er ihr Haar zu fassen.
    Henrietta packte zwar noch sein Handgelenk, aber das Gewicht des Mannes hatte sein Werk bereits getan. Ihre Füße rutschten ab und zu zweit segelten sie das glatte Deck hinab, dem gierigen Wasser entgegen.

VIERTES KAPITEL
    H enrietta knallte gegen etwas Hartes und rang nach Atem. Sie klammerte sich an den hölzernen Unterbau eines Katapults, das auf dem abschüssigen Deck befestigt war. Ihre Beine hingen ins Wasser. Ihr Haar war wieder frei und der Mann, der sie in diese Welt gerissen hatte, war verschwunden. Trommelschläge waren zu hören. Ringsum stöhnten Männer und das

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