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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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Er sitzt gern im Taubenschlag.«
    Henrietta wartete. Entweder würde Anastasia jetzt ganz heraufkommen, oder sie würde weggehen. Jedenfalls konnte sie nicht ständig die Treppe hinaufbrüllen.
    »Mal sehen«, meinte Anastasia. »Vielleicht mache ich das. Ich kann es nicht ausstehen, wenn Penny mit Zeke telefoniert. Die reden so langweiliges Zeug. Aber ich will auch nicht einfach herumsitzen und darüber nachdenken, ob Henry jetzt blind ist. Das macht mich verrückt.«
    Henrietta biss sich auf die Lippe, sagte aber nichts.
    »Na gut«, meinte Anastasia. »Dann muss ich eben weiter Penny belauschen.«
    Henrietta drehte das Papier in ihren Händen. Es war rau und wirkte an den Rändern wie ausgefranst. Seine Oberfläche fühlte sich fast wie ein Insektengitter an. Der Bogen war zusammengefaltet und mit einem weit ausladenden Baum in
schwarzem Wachs gesiegelt. Henrietta schob ihren Finger darunter.
    Die Seite war asymmetrisch, und am oberen Rand befand sich der gleiche Stempel mit dem Baum. Die Nachricht war mit der Hand hingeschmiert und von oben bis unten mit Tintenflecken bekleckst.
    H -
    Nachsycht gewähre mir. Es drängt. Unser kûrzzytig Diskûrs und Dein gewandt Verschlûpf haben mir Deine Werthaftigkyt gewiesen. So Du tatdingiglich die Magia sahest in den Spytzzûngen des Stûrmes, so wirst Du meiner Ratdynstlichkeyt bedûrfen. Nichtdemso, und Du wirst verschwynden im Morph. In myn eign zwyt Gesicht erstraûchelt’ ich blind in des Grabes Klaff. Ich kann Dich schytzen. Die Dich by sich hüten, lichten solch Schmerz nycht, noch was Dein Werden sei. Gedûld. Ich werde einen Pfad bereiten.
    - D
    Henrietta hatte keine Ahnung, was »Nachsycht« oder »Ratdynstlichkeyt« oder »Morph« bedeuten sollten, aber das war auch egal. Henry hatte mit irgendjemand gesprochen, und sie konnte sich vorstellen, wer es war. Sie hatte schon vor einiger Zeit Briefe von ihm gelesen, und die hatten genauso verrückt geklungen wie dieser hier – und ebenso geheimnisvoll. Die »Spytzzûngen« sollten wohl Blitze sein, und das bedeutete, dass Henry gestern Abend mit ihm gesprochen haben musste; gestern Abend, nachdem er Henrietta weggeschickt hatte. Und wer immer dieser merkwürdige Vogel eigentlich
war – er wollte Henry helfen von hier zu verschwinden.
    Henrietta war verwirrt. Anzunehmen, dass Henry seine eigenen Erkundigungen anstellte und ohne ihre Hilfe aus Kansas verschwinden wollte, wäre das Naheliegendste gewesen. Den beiden Briefen nach zu schließen war dem auch so. Aber die Angst um seine Augen war echt gewesen. Er hatte doch keinen Grund, allen anderen Blindheit vorzugaukeln. Sofern er nicht irgendeinen Plan ausheckte …
    Während sie auf ihrer Lippe herumkaute, sah sie sich im Zimmer um. Sie musste aufhören nachzudenken. Sie musste eine Entscheidung treffen und etwas tun. Wenn Henry so ein hinterhältiges Frettchen war, hatte sie selbst alles Recht der Welt, sich auf eigene Faust umzusehen. Und wenn er wirklich krank war und selbst keine Nachforschungen anstellen konnte, bräuchte er ihre Hilfe. Und falls er dumm genug war, diesem Kerl von Briefschreiber zu vertrauen, dann musste sie einschreiten.
    Henrietta griff sich Großvaters Notizbuch und schlug die Skizze der Fächer auf. Dann machte sie einen Schritt zurück und sah zu Henrys Wand hinauf und auf die Schrift im Notizbuch herab. Großvaters Schlüssel steckte in ihrer Tasche. Sofern Anastasia sie nicht überraschte, konnte sie gleich anfangen. Und das tat sie auch.
    Sie suchte sich eine Tür in der Wand aus. Die war nicht besonders groß, sah ein bisschen aus wie ein Diamant und lag ganz in der Nähe der Kompass-Schlösser in der Mitte. Im Notizbuch hatte sie die Nummer 18. Henrietta las, was daneben stand. Katapult / Actium / konstant . Sie wollte sich nur so weit
vorwagen, bis sie ein Gefühl für den Ort bekam. Sie wollte ihn nicht gänzlich erforschen. Denn das hätte bedeutet, einen Rucksack zu packen und überhaupt alles vorzubereiten und so weiter, und sie wollte nicht zuviel Zeit verstreichen lassen, damit sie am Ende nicht doch noch ihre Meinung änderte. Sie musste es gleich angehen.
    Henrietta blätterte in dem Notizbuch, bis sie die Kombinationen fand. Dann kniete sie sich an das Fußende von Henrys Bett, atmete tief ein, hielt die Luft an und drehte den Knopf über alle Symbole hinweg so lange, bis der lange Pfeil auf das hufeisenförmige Zeichen mit den kleinen Kringeln an den Seiten zeigte. Und dann drehte sie den zweiten Knopf und ließ ihn so

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