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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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die an die Ruder gekettet sind. Beide Arten von Pforten führen stets in den aktuellen Moment der Gefahr.
    Henrietta setzte sich auf dem Bett auf. Sie war ein bisschen unaufmerksam geworden, aber jetzt hatte sie ihre Augen aufgerissen. Wenn sie das nur früher gelesen hätte! Aber was
sollte diese Warnung konkret bedeuten? Ihr mögt in Actium ertrinken … Moment der Gefahr … Warum stand dort nicht: »Du schlüpfst durch die Pforte auf ein Schiff, das gerade gerammt wird und untergeht. Nimm dich in Acht, sonst ist es aus mit dir!« Das wäre durchaus hilfreich gewesen! Aber immerhin wusste sie jetzt wenigstens, dass ihr Großvater nicht gerade zu Übertreibungen neigte. Und sie wusste, dass sie niemals herausfinden wollte, was der Topkapi war.
    Aufrecht sitzend las sie weiter.
    Gebt euch nie dem Glauben hin, dass ihr euch einfach nur in eurer eigenen Vergangenheit befindet – das halte ich für schlicht unmöglich. Es gibt viele Gegenwarten und viele Vergangenheiten, aber nur eine einzige Welt. Man muss sie sich ungefähr wie einen Baum vorstellen. Nein, eher wie Brombeergestrüpp im Straßengraben oder wie Steppenläufer, die sich oberhalb des Erdbodens verzweigen. Es mögen drei Triebe sein oder auch zwölf. Und dennoch – sie haben eine gemeinsame Wurzel. Es gibt »Welten«, die dieselbe Vergangenheit haben wie unsere, die sich aber zu einem ganz eigenen Zweig entwickelt haben. Ehrlich gesagt glaube ich, dass alle diese Orte, diese »Welten« – zumindest die, die ihr vielleicht betreten werdet – eine gemeinsame Vergangenheit haben, einen eindeutigen Stamm, der nur in verschiedene Stränge geteilt ist. Gewalt jenseits jeglicher Vorstellungskraft ist ihm zugefügt worden. Aber vielleicht überschätze ich das Chaos ja auch. Durch die Pforten sind eigentlich nur wenige »Welten« erreichbar. Viele Fächer führen zu denselben Stellen in derselben Zeit und auf derselben Ebene.
    Ihr müsst nicht befürchten, eure Gegenwart beschädigen
zu können. Ich halte es für unmöglich, dass wir in unsere eigenen Vergangenheiten reisen können. Jeglicher Schaden, der sich ergibt, ist ein Schaden an der Zukunft der anderen. Und der Himmel weiß, wie viel ich angerichtet habe!
    Ich hatte dies alles genau erklären und sorgfältig ausführen wollen, aber jetzt merke ich, dass ich weniger Neigung verspüre, euch fortwährend zu warnen, sondern stattdessen ein tiefes Bedürfnis empfinde, mich meiner Schuld zu entledigen. Ich habe keinen Priester, daher müsst ihr meine Bekenntnisse anhören, auch wenn ich zu jenem Zeitpunkt bereits unter den Verdammten weilen werde.
    FitzFaeren, o wunderbares FitzFaeren! Seine Bewohner und das Schloss – all dies wurde durch mich und durch das, was ich genommen habe, vernichtet. Begebt euch dorthin und ihr werdet die atemberaubendsten Gaukeleien erleben, die Erinnerung des Holzes und des gesamten Ortes. Ihr werdet sogar mich sehen, oder ein Trugbild von mir, wie ich meinem eigenen Werk entfliehe und zurück in den Schutz meines Schlafzimmers zu schlüpfen versuche. Eli hat mir vergeben, so sagt er jedenfalls. Aber ich selbst kann mir nicht vergeben.
    Henrietta hatte das Schloss kennengelernt. Sie war es, die Eli, den kleinen alten Mann, aus Großvaters Schlafzimmer zurück an jenen Ort gescheucht hatte. Und Eli hatte ihren Großvater einen Dummkopf genannt.
    Sie bekam Lust, die Kompass-Schlösser auf FitzFaeren zu stellen und durch die Pforte im unteren Stockwerk zu schlüpfen, um den Tänzern zuzusehen. Sie bekam Lust, nach ihrem Großvater Ausschau zu halten. Warum hatte sie Eli nur entkommen lassen? Er hätte ihr so viel erklären können.

    Unten hörte sie ihre Schwestern laut reden.
    Henry war zurück.
    »Nein«, hörte Henrietta ihn sagen. »Ihr sollt mir nicht helfen. Ich kann es selbst. Ich komme schon klar.«
    Ihr Vater sagte etwas, das sie nicht verstehen konnte, dann war es vollkommen still im Haus – abgesehen von langsamen Schritten die Treppe hinauf.
    Henrietta wartete ab. Selbst wenn Henry nicht in Stimmung sein sollte – sie wollte mit ihm reden. Seine Füße tasteten sich zur Dachbodentreppe und sie hörte, wie die Stufen knarrten, während er nach oben stieg.
    Kurz darauf wurde die Zimmertür geöffnet und Henry trat ein. Er sah schon viel besser aus. Seine Lider waren nur noch ein bisschen geschwollen. Henrietta lächelte ihn an und hatte deswegen gleich ein schlechtes Gewissen. Seine Augen standen weit offen, aber sie wanderten im Raum herum, auf der Suche nach

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