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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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seine Position ein wenig zu verändern, seine Arme nur einen Zentimeter zu senken oder seinen Oberkörper ein wenig zu heben. Es gelang ihm nicht. Er versuchte sich aufzurichten, aber Gurte an seinen Ellbogen und Handgelenken und an seiner Stirn hielten ihn fest. Seine Beine waren ebenfalls an den Knöcheln und den Knien fixiert und etwas Breites band seine Hüften auf seine Unterlage.
    Um den Widerstand seiner Fesseln zu prüfen, spannte er seinen Körper langsam an. Die Gurte quietschten wie Leder.
    »Der Dämon erwacht«, stellte der Mann fest. »Aber die Gurte werden nicht nachgeben. Sie sind verhext. Und selbst wenn sie das nicht wären – die Wenigsten könnten sie wohl sprengen.«
    »Bin ich hier im Postamt?«, fragte Henry. »Warum bin ich gefesselt?«

    »Im Postamt?« Der Mann lachte. »Nein. Darius meinte zwar, du wärst nicht verrückt. Aber sein eigenes krankes Hirn ist ja auch kein Maßstab für andere.«
    Henry öffnete die Augen. Sie begannen wieder anzuschwellen und juckten ganz entsetzlich. Er drückte sie fest zu und ein wenig Flüssigkeit trat aus.
    »Ich muss mir die Augen reiben«, sagte er. »Warum bin ich gefesselt?«
    Henry hörte Gläser klirren und ein paar Schritte. Dann drückte jemand ein raues Tuch auf seine Augen und wischte ihm damit über die Wangen. »Deine Augen werden dir noch mehr Sorgen bereiten. Du bist gefesselt, damit deine Glieder am Körper bleiben, damit du dir die Augen nicht auskratzt und das Hirn, das dahinter liegt; damit du dir nicht die Finger abbeißt oder das Fleisch aufreißt oder die darunter liegenden Knochen zertrümmerst. Der Zeitpunkt deines Wandelkrampfes rückt näher. Dein Geist mag sich verwirren, aber mit den Gurten wird ein Knochenbruch in Arm oder Bein das Schlimmste sein.«
    »Ich glaube, ich will das nicht«, sagte Henry. Er hatte nicht das Gefühl, dass er diesem Mann trauen konnte. »Was ist das überhaupt, ein Wandelkrampf?«
    Das Tuch wurde weggenommen und kehrte warm und feucht zurück. »Darius meinte, er hätte mit dir darüber gesprochen. Es ist die Übertragung deines Erbes – wobei es versuchen wird, dir zu entkommen, weil es sich im Fleisch eines Menschen nicht wohlfühlt. Überlebe die Prozedur, und du wirst es behalten, auch wenn es nicht leicht sesshaft werden wird. Es ist immer so, als wollte man einen Sturm fesseln.«

    Henry schluckte und sein Hals brannte. »Könnte ich bitte etwas zu trinken haben?«
    »Du wirst dich nur noch heftiger übergeben müssen, aber bitte …«
    Eine Flasche wurde entkorkt und Flüssigkeit gluckerte durch ihren Hals.
    »Hier«, sagte der Mann. »Saug an diesem Schwamm. Wenn nötig, kann ich ihn danach noch mal tränken.«
    Henry öffnete den Mund. In diesem Moment war ihm egal, was er zu trinken bekam. Er ging davon aus, dass man ihm eine Art kleinen Bade- oder Spülschwamm gab. Stattdessen küsste ihn ein Klumpen von der Größe seiner Faust auf die Lippen. Er biss darauf und zuckte zusammen. Eine saure, herbe und brennende Flüssigkeit zog ihm die Zunge zusammen und rollte in seinen Rachen hinab. Er musste würgen und schluckte und musste noch mal würgen, und die Flüssigkeit rann seinen ausgedörrten Hals hinunter. Dort, jenseits der Zunge, schmeckte sie nicht mehr so schlimm, darum saugte Henry noch mal an dem Schwamm und schluckte erneut. Dann spie er den Schwamm aus. Er rollte seine Wange herab und blieb an seinem Hals liegen. Der Mann nahm ihn weg.
    Henry streckte seine zusammengezogene Zunge und leckte sich über die Zähne, aber er wurde den Geschmack nicht mehr los. »Wasser hätte mir völlig gereicht«, meinte er.
    »Pah!«, lachte der Mann. »Besser den Stier bei den Hörnern packen, als ein Fass Wasser aussaufen. Wasser ist zum Putzen, für die Schifffahrt und fürs Vieh. Wein und Essig für den Mann – es sei denn, du willst krank werden.«

    Henry drehte den Kopf so weit zur Seite, wie er nur konnte und spuckte aus, einmal und noch einmal. Er konnte sich genau an seinen Traum erinnern und auch an alles, was Darius gesagt hatte. Und allem Anschein nach sollte es genauso kommen. Henry hoffte nur, dass niemand versuchte, ihm zu folgen. Andererseits ging das ja auch gar nicht. Bevor Richard schlafen gegangen war, hatte er die Kompass-Schlösser schon auf FitzFaeren gestellt. Die anderen würden niemals herausfinden, wo er steckte. Henry hatte keine Ahnung, wie Darius ihn hierher gebracht hatte. Aber er war sich sicher, dass es mit Großvaters Apparatur nichts zu tun hatte. Darius, so

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