Fluch der Engel: Roman (German Edition)
nachdem mein Herz wieder von Angstfrequenz in den Christopher-ist-bei-mir-Modus gesprungen war.
»Weil ich im aufgehenden Licht der Sonne erahnen kann, in welcher Farbe sie aufblitzen werden, wenn du wütend wirst – oder …«
»Du willst dir meine Flügel anschauen?« Die Fluchthormone kehrten zurück. Die Angst vor schwarzen, ausgefransten Flügeln war schlagartig wieder da.
»Natürlich«, antwortete Christopher.
Ohne Vorwarnung sprang er aus dem Bett, zog mich mit sich und stellte mich auf die Beine. Ich schwankte, als er mir meine Pyjamahose zuwarf. Die ungewohnt schweren Flügel brachten mich aus dem Gleichgewicht. Gut, dass Christopher mich wieder festhielt.
»Komm mit, wir müssen uns beeilen«, drängte er und schob mich aus der Hütte, als ich halbwegs wieder gerade stehen konnte.
Noch immer umschloss dichter Nebel die Insel. Trotz Sommerwärme durchzog mich ein Frösteln. Christopher besänftigte mich mit einem zärtlichen Kuss in den Nacken, doch das reichte nicht, um meine Angst zu vertreiben.
Zielstrebig bugsierte er mich auf einen schmalen, verwitterten Holzsteg. Die ersten Sonnenstrahlen durchdrangen den Nebel, färbten ihn mit ihrem orangegelben Licht. Christophers Engelsmagie prickelte an meinem Körper vorbei und zwang die Nebelschwaden zurück, so dass die Sonne sich ihren Weg bahnen konnte. Hell glitzerten ihre Strahlen auf dem silbernen Blau des Sees.
Am liebsten hätte ich die Augen geschlossen. Der Blick in das spiegelnde Wasser würde mir offenbaren, wovor ich mich bislang erfolgreich gedrückt hatte: den Anblick meiner neuen Flügel.
Christopher stand neben mir. In seine Augen trat ein dunkler Schimmer, als die Sonne den Horizont überschritt. »Sieh sie dir an«, drängte er und schob mich an den Rand des Stegs.
Seine Berührung jagte mir heiße Schauer über den Rücken, mein Blick in den See eisige Gänsehaut. Die formvollendeten Schwingen eines Engels leuchteten mir entgegen, doch weder bei einem Engel noch auf dem Ahnenstammbaum in Sanctifers Palast hatte ich je eine Farbe gesehen wie die meiner Flügel. Entsetzt schloss ich die Augen.
»Sie sind rot«, flüsterte ich, unfähig, meine Stimme zu erheben. Scharlachrot wie das Blut, das aus Massimos Herzen geströmt war, als die Klauen eines Schattenengels es durchbohrt hatten. Mein Entsetzen ging in Panik über. Ich zitterte am ganzen Leib – selbst meine Flügelspitzen bebten.
»Und wunderschön«, antwortete Christopher und zog mich in seine Arme. »Und im Licht der Sonne erstrahlen sie in hellstem Purpur. Keine Farbe passt besser zu dem Engel, dessen Seele so voller Liebe ist wie deine.«
Christophers wunderbare Worte und sein zärtlicher Kuss erstickten die beängstigenden Gefühle, die in mir tobten. Trotz der roten Flügel sah ich aus wie ein Engel. Und ich fühlte mich auch wie einer. Die Dunkelheit und die Kälte, die ich vor ein paar Stunden noch in mir gespürt hatte, waren unendlicher Liebe gewichen.
Ich schlang meine Arme um Christophers warmen Körper und erwiderte seinen Kuss. Wurde inniger. Fordernd.
Christopher erwiderte mein Drängen. Seine Flügel brachen hervor. Stürmisch umfasste er meine Hüften und entzog mir den Boden unter den Füßen, um mich zu lieben. Als Engel. Verloren zwischen Himmel und Erde.
Kapitel 24
Sicher verwahrt
S chwöre mir, keinen Rachefeldzug zu planen«, bat ich Christopher. Die Angst, er könne Hals über Kopf zu Sanctifer stürmen, wog schwer. Doch ich wollte keine Geheimnisse mehr vor ihm haben.
»Heißt das, du vertraust mir nicht?« Christopher verschränkte seine Arme vor der Brust. Im Schneidersitz saß er neben mir auf dem schmalen Bett und wartete auf eine Antwort.
Ich zog die Knie dichter an meinen Körper und schwieg. Wie erbärmlich! Christopher zu gestehen, dass ich an dem Engel zweifelte, dem ich meine Seele anvertrauen würde, fiel mir unsagbar schwer. Doch warum sonst hatte ich nicht ihn, sondern Aron um Hilfe gebeten?!
»Christopher, ich … du … du bist ein Racheengel, und ich muss sicher sein, dass du nichts Unüberlegtes tust.«
»Weil du der vernünftige Engel bist und ich der reizbare Racheengel, der vorschnell handelt?« Christopher kaschierte seinen Ärger mit Spott.
»Nein, weil ich … ich möchte nicht noch mehr Fehler machen«, gab ich zu.
»Und mit der Wahrheit herauszurücken, wäre einer«, mutmaßte Christopher. Er stand auf und begann in der Hütte auf und ab zu gehen. Vermutlich hätte er am liebsten die Wahrheit aus mir
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