Fluch der Engel: Roman (German Edition)
Rücken spannte sich an. Wenn ich ihn jetzt durch diese Tür gehen ließ, hatte ich verloren. »Vielleicht, seitdem ich erkannt habe, dass er mich mit seinem Unterricht nicht quälen wollte, sondern versucht hat, aus mir einen Racheengel zu machen.« Ich kletterte aus dem Bett, weil ich Christopher gegenüberstehen wollte, wenn ich ihm die Wahrheit sagte. »Denn nur dann kann ich stark genug sein für den Engel, dem ich meine Seele schenken würde.«
»Und deshalb hast du mich in eine Falle gelockt und Aron vor meinen Augen geküsst?!« Schneller als erwartet stand Christopher vor mir. Wut funkelte in seinen Augen. »Was bezweckst du mit deinen Spielchen? Hast du Angst, ich würde dich töten? Bietest du mir deshalb so großzügig dein Leben an, weil du hoffst, ich würde dich aus Mitleid verschonen?«
Meine Beine wollten nachgeben. Ich drückte sie durch. In Christophers Gesicht spiegelte sich Entschlossenheit. Er würde nicht noch einmal ein Gesetz übertreten – und das wollte ich auch nicht. Ich würde mich nicht wehren, falls es seine Aufgabe war, mich zutöten. Doch er sollte die Wahrheit kennen, bevor er mir meine Seele raubte. Auch wenn es so aussah, als bettle ich um mein Leben.
»Versprich mir, zu Aron zu gehen«, bat ich ihn.
»Zu Aron? Warum?« Das Misstrauen zu spüren, das Christopher gegenüber seinem einstigen Freund empfand, erinnerte mich daran, dass mein Fehler einen Keil zwischen die beiden getrieben hatte. Es lag an mir, das wieder in Ordnung zu bringen – wie auch immer es für mich ausging.
Ich nahm all meinen Mut zusammen, um Christophers Blick standzuhalten. Ich wollte ihm in die Augen sehen, wenn ich das Lügengewebe entflocht.
»Vor mehr als einem Jahr habe ich ein Abkommen geschlossen. Doch ich wusste, du würdest es niemals zulassen, dass ich darauf eingehe. Deshalb habe ich Aron um Hilfe gebeten. Er hat mir alles beigebracht, um … um aus dieser Angelegenheit wieder heil herauszukommen – was … was mir nicht gelungen ist.« Obwohl ich jetzt am liebsten aus der Hütte geflohen wäre, blieb ich, wo ich war. Christopher hatte ein Recht, auch den Rest zu erfahren. »Und … um dich im Unklaren zu lassen.«
Ungläubigkeit und unendliche Wut standen in Christophers Gesicht geschrieben. Doch er war schon zu lange ein Racheengel, um vorschnell die Beherrschung zu verlieren. Er wollte mehr wissen, als ich ihm erzählt hatte.
»Und anstatt mir die Wahrheit zu sagen, hast du mich lieber an den Engelsrat ausgeliefert? Dein Vertrauen in mich ehrt dich.«
Ich sah beiseite. Christophers Wut ertragen zu müssen hatte ich verdient. Doch auch noch seinem Zynismus standzuhalten gelang mir nicht.
»Bitte, geh zu Aron. Er wird dir alles erklären.«
»Weil er mehr weiß als du – oder weil du zu feige bist?« Christophers Anschuldigung traf präzise. Er kannte meine Schwächen.
»Weil ich zu feige bin«, flüsterte ich, obwohl ich besser gelogen hätte. Jetzt würde Christopher bleiben, um die Wahrheit anstattaus Aron aus mir herauszubekommen. Und genau deshalb hatte ich so geantwortet. Ich wollte, dass er bei mir blieb.
Christophers Stirnfalte zeigte sich. Kurz überlegte er, wie er mein Eingeständnis einschätzen sollte, doch er brauchte nicht lange, um mich zu durchschauen.
»Wie oft willst du mir eigentlich noch etwas vormachen?«
Es war nicht die Frage, die mich aus der Fassung brachte, sondern die Sanftheit in seiner Stimme. Ich beging Vertrauensbruch im großen Stil, und er verzichtete darauf, mir das vorzuwerfen.
Ich floh vor Christophers durchdringendem Blick und starrte aus dem Fenster. Der dichte Nebel, der die Insel umgab, hatte einen rötlichen Schimmer angenommen. Die Sonne ging gerade unter.
Christopher ließ nicht zu, dass ich ihm auswich. Er umklammerte meine Schultern und drehte mich zu sich um.
»Wie oft wirst du mich noch belügen?«
»So oft ich dich damit beschützen kann.« Eine Träne entzog sich meiner Kontrolle. Ich starrte zu Boden, doch Christopher hinderte mich daran und hielt mein Gesicht in seinen Händen gefangen.
»Und warum glaubst du, das tun zu müssen?«
»Weil … weil ich dich liebe.« Meine Stimme zitterte, während ich die aufrichtigsten Worte meines Lebens stammelte. Doch das war mir egal. Ich liebte ihn. Es war das einzig Richtige, was ich jemals getan hatte.
Das Grün in Christophers Augen schmolz zu flüssigem Smaragd. Vorsichtig zeichnete er mit seinen Fingern die Spur meiner Träne nach, bevor sein Mund folgte, langsam mein Gesicht
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