Fluch der Engel: Roman (German Edition)
meiner ersten Begegnung mit Sanctifers dunklen Engeln erzählte, bröckelte seine aufgezwungene Gelassenheit.
»Wie viele sind es?«, knurrte er zwischen zwei kurzen Atemzügen hervor.
»Vielleicht zwei Dutzend. Aber es könnten auch mehr sein. Sanctifers unterirdische Palastanlage ist riesig und gut geschützt.«
Christopher nickte. Schmerzhafte Erinnerungen spiegelten sich auf seinen Zügen. Dieses Mal wich ich seinem Blick nicht aus. Christopher würde mich in seine Pläne nur dann mit einbeziehen, wenn er in mir einen Racheengel sah, der wusste, was ihn erwartete, und nicht einen schwächelnden Engelfrischling, der sich blind auf etwas einließ, dem er nicht gewachsen war. Ihn jedoch davon zu überzeugen, mich mitzunehmen, würde mehr brauchen. Also zückte ich meinen Raffael-Trumpf.
»Allerdings weiß ich, wie ich unbemerkt in Sanctifers Palast kommen kann, und kenne jemanden, der sich bestens in seiner Unterwelt zurechtfindet.«
Christophers Gesichtszüge verhärteten sich für einen kurzen Moment, bevor sie sich wieder entspannten und er mir ein herzerwärmendes Lächeln schenkte.
»Du hast vor, mich zu begleiten?«
Die Frage schien harmlos, Christophers Lächeln überrascht – und dennoch spürte ich, dass er mir etwas vormachte. Ihm war es egal, dass ich einen sicheren Zugang zu Sanctifers Palast kannte. Die Furcht in seinen Augen galt nicht seinem einstigen Mentoroder den dunklen Engeln, sondern mir. Doch nicht einmal ein zorniger Racheengel würde mich davon abbringen, Sanctifer einen zweiten Besuch abzustatten. Schließlich mussten nicht nur ein paar unfreiwillige Blutspender gerettet werden. Auch um Raffael machte ich mir Sorgen.
»Ich werde mitkommen, wenn du mich in deine Pläne einweihst und meine Vorschläge mit einbeziehst. Ansonsten werde ich ohne deine Hilfe Sanctifers schmutzige Machenschaften auffliegen lassen.«
»Das dachte ich mir«, antwortete Christopher mit einem bedauernden Seufzer. Er ließ mir keine Chance. Im Bruchteil einer Sekunde umfasste er meine beiden Handgelenke und tackerte mich mit seinem Körper an der Wand fest.
»Es tut mir leid, aber ich kann dich nicht mitnehmen«, flüsterte er, hauchte mir einen Kuss in den Nacken und schlang ein eisiges, aus Engelsmagie gewobenes Korsett um mich.
Ich wehrte mich nicht. Fest davon überzeugt, dass er die Grenzen nicht überschreiten würde, scharte ich meine Kräfte um meine Engelseele und wartete. Doch Christophers Entschluss stand fest. Unaufhaltsam entzog er mir die Wärme, die er mir geschenkt hatte, und weitete sein frostiges Engelsgespinst aus, bis ich kaum noch atmen konnte.
Der Racheengel in mir rebellierte, drängte mich, Christophers Angriff zurückzuschlagen. Ich hatte das schon einmal getan. Instinktiv hatte ich Christophers Schwachstelle gefunden und ihn mit meinem Gegenschlag aus der Fassung gebracht.
Meine Gedanken fokussierten Christophers Engelseele, bereiteten sich auf einen Angriff vor. Sie war ungeschützt.
Christophers Sturmgewitterduft intensivierte sich und erinnerte mich an die vergangenen Stunden. Überwältigt von meinen Gefühlen schloss ich die Augen und genoss diesen unwiderstehlichen Duft. Ich liebte ihn. Wie konnte ich darüber nachdenken, seine Seele zu verletzen?
Meine Zweifel schwächten mich. Christophers mächtiger Sogverstärkte sich. Schmerzte. Langsam, aber unabwendbar, raubte seine eisige Umarmung mir meine Kräfte. Warum nur hatte ich ihm verraten, wo er Arons Durchhaltekapsel finden konnte?
Viel zu früh erlag mein menschlicher Teil dem Zweikampf. Schwarze Schleier tanzten vor meinen Augen, verdichteten sich und erstickten mich mit ihrer Dunkelheit. Ich konnte nichts dagegen tun, spürte, dass ich längst verloren hatte.
»Ich hasse dich«, waren die letzten Worte, mit denen ich hoffte, Christopher von seinem Plan abzubringen. Doch er wusste, dass ich log, und hielt mich in seiner frostigen Umklammerung gefangen.
Kurz bevor die Ohnmacht mich in ihrer Schwärze verschlang, hauchte er einen Kuss auf meine Lippen und flüsterte: »Und ich liebe dich dennoch.«
Das Loch, in dem ich erwachte, war eng, dunkel und roch nach Fisch. Ich verwünschte Christopher mit den wildesten Flüchen, während ich meine Klauen in die feuchte Wand bohrte und versuchte, meinem Gefängnis zu entkommen. Doch Christopher hatte vorgesorgt. Die Luke in der Decke ließ sich keinen Millimeter weit bewegen. Entweder lag auf ihr ein besonders starker Bann oder etwas ziemlich Schweres. Allein würde ich hier
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